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Gute Löhne statt Sanierungstarifvertrag

01.02.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist gar nicht lange her, da galt das offizielle Narrativ in der Branche, wonach nur die DB AG auskömmliche Löhne bezahle. Die Wettbewerbsbahnen würden überhaupt nur Ausschreibungen gewinnen, weil sie geringere Lohnkosten hätten und richtig ausbilden würden sie auch nicht. Inzwischen weiß man, dass das nicht so ist und bei den bunten Bahnen fahren genauso gut ausgebildete und bezahlte Eisenbahner wie beim verkehrsroten Riesen.

Allerdings: Der branchenweite Personalmangel wird mittelfristig auch die DB AG treffen und anstatt Sanierungstarifverträge mit den beiden großen Gewerkschaften EVG und GDL anzustreben, sollte man gerade jetzt nach vorne gucken: Die DB AG sollte die Situation nutzen und sich verstärkt als bester Arbeitgeber der Branche aufstellen, denn angeblich hat man doch immer noch diverse Alleinstellungsmerkmale den Konkurrenten auf der Schiene gegenüber. Oder etwa nicht?

Jetzt ist es Zeit für die gesamte Branche, Leute anzuwerben: Der Handwerker, der in Kurzarbeit ist, der Taxifahrer, dessen Job gefährdet ist, der Koch aus dem Restaurant, der arbeitslos geworden ist oder kurz davor steht: All diese Leute sind potentielle Eisenbahner, ganz gleich an welcher Stelle. Denn der Konjunktureinbruch war in der Eisenbahnbranche fest eingeplant bei der mittelfristigen Personalplanung.

Das ist auch nicht so verkehrt, denn nach einem mehr als zehnjährigen Aufschwung war ein Einbruch der Konjunktur absehbar und wäre auch ohne die Covid19-Pandemie eingetreten. Das ist eben der Lauf der Dinge. Aber jetzt ist die Chance da, gut ausgebildete, qualifizierte und motivierte Leute zu Eisenbahnern zu machen, die nach vor zwei oder vier Jahren nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Das gilt insbesondere für die DB AG und hier braucht man keinen Sanierungstarifvertrag, sondern einen Tarifvertrag, der es attraktiv macht, 1. Eisenbahner zu werden und 2. dies auch bei der ehemaligen Bundesbahn zu werden. Und gerade wenn man in den kommenden Jahren große Wettbewerbsnetze übernimmt, dann wird man das kaum mit Bestandspersonal machen können.

Sollte ein Marktführer nicht auch den Anspruch haben, der beste Arbeitgeber in der Branche zu sein und das auch mit einem besonderen Tarifvertrag unterstreichen? Also so, dass es sich vielleicht sogar finanziell lohnt, von einer Wettbewerbsbahn in den DB-Konzern zu wechseln statt Angstschürerei vor der nächsten Ausschreibung und irgendwelche Sanierungstarifverträge auf Kosten der einfachen Mitarbeiter? Womit will die Konzernleitung denn auch drohen? Mit Entlassungen? Bei dem Personalbedarf, den es auf der Schiene gibt, wird das niemand ernstnehmen.

Im Gegenteil, man muss in den nächsten Jahren massiv Personal aufbauen, gerade wenn man sich die Altersstruktur der Betriebseisenbahner anguckt, so ist man stärker als jeder Wettbewerber von der anstehenden Verrentungswelle der Babyboomer betroffen. Deshalb ist die Covid19-Pandemie nicht geeignet, um Druck auf die Löhne auszuüben – auch wenn manch einer das gerne würde.

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