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Die Krise als Chance begreifen

22.02.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der VVS ist wohl nicht der einzige Metropolverbund, der im vergangenen Jahr nicht nur mit stagnierenden, sondern mit richtig massiv sinkenden Fahrgastzahlen zu kämpfen hatte. So ist das eben, wenn die Leute in der Heimarbeit bleiben, wenn Videokonferenzen die Geschäftsreise ersetzen und der Schulunterricht oder die Universitätsvorlesung nur noch digital stattfinden.

Eine Kehrseite des hohen Kostendeckungsgrades, auf den man in der Branche so stolz ist, ist allerdings dass damit auch eine hohe Marktfinanzierung einhergeht. Wenn diese bei einbrechender Konjunkturlage nicht mehr da ist, dann sieht es auf einmal richtig düster aus. Davon können seit Jahr und Tag alle Unternehmen in der freien Wirtschaft ein Lied singen und das ist jetzt auch in der Bus- und Bahnbranche so gekommen.

Viele Unternehmen werden ihre Tore nicht wieder öffnen, sie werden geschlossen bleiben, weil die Finanzpolster und Rücklagen die Umsatzausfälle nicht auffangen konnten. Viele Arbeitnehmer werden aus der Kurzarbeit nicht in ihre Arbeitsplätze zurückkehren, sondern in der Arbeitslosigkeit landen.

Viele sind das im Grunde jetzt schon, denn die „Kurzarbeit Null“ heißt nichts anderes als faktische Arbeitslosigkeit, auch wenn die betroffenen Menschen in keiner Statistik auftauchen. Nächstes Frühjahr, also im Jahr 2022, wenn die vielen Landtagswahlen und die Bundestagswahl gelaufen sind, droht diese Zahl richtig zu eskalieren.

Die Bus- und Branche als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge kann aber nicht einfach pleite gehen, nicht einfach zumachen, sie muss weiterexistieren, so wie ja auch die Polizei, die Feuerwehr oder die Krankenhäuser weiterexistieren müssen. Deshalb ist es jetzt notwendig, neben den Überbrückungsfinanzierungen branchenweit an die Zukunft zu denken.

Der Personalmangel ist hoch, also nehmt die Akquise jetzt in Angriff. Jetzt, wo die Menschen in der Kurzarbeit sind und sich Sorgen machen, bildet sie aus zu Lokomotivführern, Busfahrern, Tramfahrern, zu Mechatronikern in den Werkstätten und zu Kundenbetreuern in den Zügen, Bussen und Bahnen aus. Löst jetzt die Personalprobleme, denn jetzt ergibt sich die Möglichkeit.

Vielleicht sieht das in drei oder fünf Jahren ganz anders aus, wenn die zu erwartenden Konjunkturprogramme angeschlagen haben. Es ist an der Branche, der Politik für die vielen geforderten Rettungsschirme und Ausfallgelder auch etwas zu bieten und siehe da, es geht: Wir nehmen Euch die zu erwartenden Arbeitslosen ab. Natürlich kann man die öffentlichen Verkehrsmittel nicht als Auffangbecken nutzen, aber gut ausgebildete und hoch motivierte Leute, die jetzt bereit sind, sich beruflich umzuorientieren, die muss man auch jetzt gezielt ansprechen und ins Boot holen.

Dabei rede ich auch gar nicht spezifisch von einem Verkehrsunternehmen, von einer Region, sondern wirklich von der ganzen Branche. Jede Krise ist immer auch eine Chance, etwas neues anzufangen und sich selbst weiterzuentwickeln. Das gilt für die Branche wie für potentielle Arbeitnehmer, deshalb lasst uns alle diese Chance nutzen.

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