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Priorität, aber richtig

25.01.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt vermuten, dass die Forderung nach „mehr Geld“ reflexartig kommt und nicht mehr überlegt ist. Fangen wir mal damit an, dass es in den 16 Bundesländern zusammenaddiert Ende 2017 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) knapp vier Milliarden Euro nicht verausgabter Reigonalisierungsgelder gab. Es ist also mehr Geld in der Kasse als man ausgeben kann oder will.

Angesichts der aktuellen geldpolitischen Situation im Euroraum schließt sich da fast wie von selbst die Frage an, wo denn dieses Geld deponiert ist: Sicher nicht im Geldspeicher von Onkel Dagobert. Aber gibt es womöglich einzelne Aufgabenträger, die mehrere hundert Millionen Euro zu Negativzinsen von einem bis drei Prozent auf der Bank liegen haben? Geht hier schlimmstenfalls vielleicht jedes Jahr ein Millionenbetrag durch den Schornstein? Wir wissen es nicht.

Aber wieso kann man dieses Geld nicht nehmen und beispielsweise für innovative Traktionsarten, Infrastrukturausbauten und ähnliches verwenden? Oder man einigt sich darauf, die Kostensteigerungen in den letzten Jahren so abzufedern, dass die Verkehrsunternehmen auf der Schiene nicht allesamt finanziell am Limit laufen müssten.

Denn wenn man irgendwann nur noch einen Bieter in zukünftigen Verfahren hat, möglicherweise gerade den, den viele Politiker ohnehin für den natürlichen und geborenen Betreiber aller deutschen Eisenbahnleistungen halten, dann wird es am Ende richtig teuer – und ohne Marktdruck kann auch keiner mehr was dagegen machen.

In jedem Fall sind die Zeiten der notleidenden Aufgabenträger vorbei. Und auch bei den Etats der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung muss man sich die Frage stellen, ob noch mehr Bauaktivitäten im Eisenbahnnetz wirklich förderlich wären, wenn man schon jetzt am Anschlag unterwegs ist und die vielen Streckensperrungen für die Betreiber und Nutzer des deutschen Eisenbahnwesens zur Dauer-Nervenprobe werden.

Gleichzeitig sprechen die Verbände zwar vom Deutschlandtakt, können sich aber scheinbar nicht darüber einigen, wie genau dieser denn zustandekommen soll: Geht man weiterhin davon aus, dass die DB Fernverkehr AG diesen Deutschlandtakt eigenwirtschaftlich erbringen wird? Und da, wo man dann eben nicht bereit ist, eigenwirtschaftlich zu fahren, muss mit Regionalisierungsgelder ausgeholfen werden, also eine faktische Direktvergabe gemacht werden?

Wie wäre es, wenn man statt dessen endlich klar kommuniziert, dass die Verantwortung für den SPFV in die Bundeshand gehört, wie es in Artikel 87e des Grundgesetzes vorgesehen ist? Dort wird der Bund verpflichtet, ein Gesetz zu erlassen, das das nähere regelt. Wo bleibt dieses Gesetz?

Tatsächlich wäre ein solches Gesetz, das auch einen bundesweiten Aufgabenträger für den SPFV vorsieht, tatsächlich ein mutiger Schritt nach den Bundestagswahlen – wer auch immer dann regiert. Das gilt auch dann, wenn die DB AG und ihre Vorfeldorganisationen damit nicht mehr einverstanden wären. Aber hier gilt dann eben auch das Primat der Politik.

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