Freie Fahrt zwischen den Bundesländern
21.01.21 (Fernverkehr, Güterverkehr, Kommentar, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Verkehrsströme enden nicht an Verbund- und auch nicht an Ländergrenzen. Es ist daher richtig, dass man sich zusammensetzt und guckt, wo man gemeinsam gute Lösungen zum Wohle aller erarbeiten kann. Benachbarte Aufgabenträger sind sich untereinander nicht immer grün, aber Professionalität bedeutet, dass man es schafft, persönliche Animositäten außen vor zu lassen, wenn gemeinsame Ausschreibungen und gemeinsame Verkehrsplanungen auf der Tagesordnung stehen.
Besonders erfreulich ist, dass man sich, auch angesichts der erheblichen Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder aus den letzten Jahren, mit einem Reaktierungsprogramm auseinandersetzen möchte. Es ist nicht das erste für Niedersachsen, was aber auch daran liegt, dass die Kahlschlagpolitik der alten Behördenbahn in Niedersachsen besonders hart zugeschlagen hat. Entsprechend viel Potential haben noch vorhandene Strecken.
Wie erfolgreich solche Programme sein können, zeigt die regelmäßig aktualisierte Broschüre Stadt, Land, Schiene der Allianz pro Schiene. Mitnichten ist es so, dass man Züge hat, mit denen nur hin und wieder mal einzelne durch die Gegend fahren, sondern im Gegenteil: In der Regel fallen die Fahrgastzahlen bei Reaktivierungsprojekten deutlich höher aus als prognostiziert.
Und dann ist da noch ein weiterer Punkt: Es gab vor einigen Jahren in Niedersachsen ein Programm zur Streckenreaktivierung und wie in solchen Fällen üblich, muss es zunächst einmal eine standardisierte Bewertung geben. Diese rechnet alle Kosten- und alle Nutzenfaktoren zusammen, um dann zu sehen, ob es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, zu investieren, oder nicht. Wenn der Koeffizient unter 1,0 liegt, gilt das Projekt als nicht förderfähig.
Jetzt hat die Eisenbahn aber ein Problem: Wenn man für den SPNV eine solche Analyse macht, dann rechnet man zwar mit den vollen Kosten, vernachlässigt aber, dass auch der Schienengüterverkehr auf Nebenstrecken eine Rolle spielen kann. Man rechnet also die vollen Kosten, lässt aber einen Teil des Nutzens außen vor.
Dabei wäre so manchen Ortschaften mit verarbeitender Industrie sehr geholfen, wenn man am Tag zehn oder zwanzig Lastwagenfahrten weniger hätte, weil so ein Werk über den Gleisanschluss vielleicht einmal am Tag bedient wird. Vor allem aber gilt sowas auch in Grenzregionen zweier Bundesländer. Wobei: Grenzregion? Eigentlich dachten wir doch, innerdeutsche Grenzregionen während mit Mauerfall und Einheit verschwunden. Bei der Eisenbahn ist das aber anders.
Zwar gibt es zwischen Osnabrück und Rheine keine Grenzkontrollen, wohl aber kennt die Eisenbahn noch immer Grenztarife, Grenzverkehre und vieles mehr. Das muss man in Zukunft überwinden, denn dem Autofahrer ist es völlig egal, ob er gerade von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen oder zurück fährt. Hier bietet sich im Zeitalter digitalisierter Tariflandschaften die Chance an, die Abrechnung soweit in den Hintergrund zu drängen, dass der Fahrgast nichts mehr davon mitkriegt. Hier gilt es, auf beiden Seiten Zugangshemmnisse abzubauen.