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Digitalisierte Bestpreisabrechnung statt Monatsmarken

14.01.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Langfristig werden die Zahlen der Fahrten in Bussen und Bahne sicher wieder steigen, das Vorkrisenniveau wird man erreichen und übertreffen. So war es seit dem Beginn der Industrialisierung immer – trotz der Kriege und Krisen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Allerdings erleben wir dennoch auch gesellschaftliche Veränderungen. Schon vor Jahren sprach man darüber, dass die flexible Arbeitszeit andere Anforderungen an den öffentlichen Verkehr stellt als der klassische Schichtbus, der um 5.50 vor dem Werkstor steht, die Frühschicht zur Arbeit bringt und um 6.10 wieder mit der Nachtschicht an Bord abfährt.

Und das Thema Homeoffice ist jetzt auch nicht so neu. Klar ist es eine amüsante Randnotiz, dass diejenigen, die schon vor ein paar Jahren das Recht auf Homeoffice gefordert haben einige Jahrzehnte zuvor gesagt haben, das würde zur ewigen Verfügbarkeit führen. Tatsächlich ist die Arbeit zuhause natürlich anders als in einem Büro: Ob nun das Kind dabei ist oder ob der Hund anfängt zu bellen, Spül- und Waschmaschine laufen nebenbei, all das unterscheidet die Arbeit am heimischen Computer von der im Büro.

Für die ÖPNV-Branche ist entscheidend, dass viele eben nicht mehr jeden Tag zur Arbeit fahren, sondern vielleicht nur noch einmal in der Woche. Hier spielt dann tatsächlich neben der Zahl der Fahrten auch die Frage eine Rolle, ob es sich noch lohnt, eine Zeitkarte zu besitzen: Brauche ich wirklich die Flatrate, wenn ich meinen Arbeitsplatz nicht mehr täglich, sondern nur noch zwei- bis viermal im Monat aufsuche?

Zum Einkaufen nimmt man ja ohnehin das Auto, wobei der Getränke-Lieferdienst, den man in der Corona-Zeit entdeckt hat auch in Zukunft durchaus eine Alternative darstellt. Dann reicht es eben, wenn man sich hin und wieder ein Carsharingauto setzt, so dieses denn verfügbar ist. Hier müssen die Verkehrsverbünde sich tatsächlich überlegen, was sinnvoll ist und was nicht: Ist die Bestpreisabrechnung in fünf Jahren vielleicht die Regel?

In diesem Monat bin ich mal soviel gefahren, dass es soviel gekostet hat wie ein Monatsticket, aber im Monat davor hatte ich nur zwei Vierertickets? Im Zuge der weiteren Digitalisierung der Tarife wird es sicher am Ende weniger Abokunden, aber auch weniger Planbarkeit bei den Einnahmen geben. Deshalb ist es richtig, dass diese vorübergehenden Einnahmeausfälle durch die öffentliche Hand kompensiert werden, zumindest dann, wenn das mit der Verkehrswende ernstgemeint ist.

Wir brauchen einen guten ÖPNV und da sind achtzig Prozent Kostendeckungsgrad in den nächsten Jahren vielleicht nicht mehr drin – bis das Fahrgastwachstum organisch wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen sein wird. Aus gutem Grund hat ja auch die EVG in der letzten Woche einen Rettungsschirm 2 gefordert, denn man darf eben nicht die Verbünde im Regen stehen lassen. Was sonst folgt, haben wir 2007 und 2008 gesehen, als das Koch-Steinbrück-Papier umgesetzt wurde: Abbestellungen nach der Rasenmähermethode. Und genau das kann doch wirklich niemand erneut haben wollen.

Siehe auch: Studie zu verändertem Nutzerverhalten

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