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Auch vermeintliche Luxusprobleme sind Probleme

10.12.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wer schon länger dabei ist, der erinnert sich, dass die Aufgabenträger noch vor ein paar Jahren gezwungen waren, zu jedem Fahrplanwechsel das Angebot zu kürzen. Zu hoch waren die Kosten für die Direktvergaben an DB Regio, die man überall in der Republik rund um die Jahrtausendwende durchgeführt hat und zu sehr schlugen die Budgetsenkungen im Rahmen des Koch-Steinbrück-Papiers durch.

Die gestiegenen Fahrgelderträge flossen im Rahmen von Nettoverträgen ebenfalls meistens in die Kassen des Betreibers ab und standen für Kompensationen anderweitig gesunkener Budgets nicht zur Verfügung. Aber, mit etwas Boshaftigkeit muss man sagen: Damals sind keine Züge wegen Personalmangel ausgefallen. Im Gegenteil, es wurde gerade im DB-Konzern kräftig gedroht, dass ein großer Stellenabbau bevorstehe.

Heute haben wir dagegen Luxusprobleme: Ausschreibungsersparnisse wurden über die Jahre liquiditätswirksam, die Regionalisierungsgelder steigen und auch bei den Trassenpreise ist eine Kostenbremse vorhanden. Die Fahrgelderträge stehen den Aufgabenträgern zur Verfügung und was passiert? Genau, es liegen überall in Deutschland hohe Summen nicht verausgabter Gelder auf den Konten, während gleichzeitig die verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen erhebliche Nachforderungen stellen.

Und wenn gleich mehrere davon kommen, wie im VRR, und über Geld sprechen wollen, dann liegt das nicht daran, dass man einzelne Akteure mit Unterkostenpreisen bevorzugt hätte oder dass einige Kalkulationen nicht gestimmt hätten. Es sind die strukturellen Veränderungen der letzten Jahre, die die Kosten in die Höhe getrieben haben. Beispiel Personal: Es gibt zu wenig Lokomotivführer und wenn dann einige im Rahmen von tarifvertraglichen Regelungen auf ein Modell mit mehr als vierzig Urlaubstagen im Jahr umsteigen, dann fehlen die Leute auf der Lok und man braucht mehr

Wie kann man das also lösen? In jedem Fall muss der Aufgabenträger bei künftigen Verkehrsverträgen verbindlich vorschreiben, dass bestimmte Summen in die Ausbildung zu investieren sind. Die Branche sollte zudem gerade jetzt in der Corona-Krise versuchen, möglichst viele gute Mitarbeiter anzuwerben. Jetzt sind die Leute in der Kurzarbeit und machen sich Gedanken, ob sie ihre Jobs langfristig behalten können. In drei Jahren, wenn die Konjunkturprogramme laufen, wird es umso schwieriger sein, gute und motivierte Mitarbeiter anzuwerben. Dabei brauchen wir die doch, denn nicht nur eine bessere Infrastruktur ist notwendig um mehr Züge fahren zu lassen, sondern auch das Personal.

Wenn morgen durch Zauberhand die Infrastruktur mehr Eisenbahnleistungen ermöglichen würde, könnte man zwar zusätzliche Züge in den Fahrplan schreiben, mangels Mitarbeiter würden diese aber nicht fahren. Das betrifft alle Unternehmen gleichermaßen und deshalb müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass man sich in einigen Jahren über Leistungsausweitungen freuen kann – ohne darüber nachdenken zu müssen, wo und an welcher Stelle es wieder mal Probleme gibt.

Siehe auch: VRR steht vor dem Fahrplanwechsel

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