Ostbahn: Pro Bahn sieht Handlungsbedarf
09.11.20 (Berlin, Brandenburg, Fernverkehr, Polen) Autor:Stefan Hennigfeld
Die historische „Ostbahn“ verband Berlin via Kostrzyn (Küstrin), Piła (Schneidemühl) mit je einem Ast nach Gdánsk (Danzig) sowie nach Kaliningrad (Königsberg). Heute ist die Strecke vor allem auf dem deutschen Abschnitt nicht elektrifiziert und weitgehend eingleisig. Die Züge zwischen Berlin und Kostrzyn sind im Zulauf auf die deutsche Bundeshauptstadt meist überfüllt und die Streckenkapazitäten derart ausgereizt, dass Fahrplanverdichtungen sogar wieder zurückgenommen werden mussten.
Die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL), die vom Fahrgastverband Pro Bahn unterstützt wird, fordert den Ausbau und die schnelle Elektrifizierung der historischen „Ostbahn“ und kritisiert die aktuelle Nahverkehrsausschreibung des VBB. Während in Polen die historische Zweigleisigkeit bereits weitgehend wiederhergestellt wurde und die Elektrifizierung konkret in Planung ist, gibt es auf deutscher Seite noch keine konkreten Ausbauplanungen.
Im Hinblick auf die Nutzung auch für den innereuropäischen Fernverkehr ist dies hochproblematisch. Die elektrifizierte Ostbahn könnte nicht nur die Wojewodschaftshaupstadt Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe), sondern auch Gdánsk, Bydgoszcz (Bromberg), Olsztyn (Allenstein) und Kaliningrad schnell an Berlin anbinden. Über die im Bau befindliche „Rail Baltica“ wären sogar Riga und Tallin in einigen Jahren erreichbar.
„Ein für ganz Europa wichtiges Projekt darf nicht an fehlenden Gleiskapazitäten und fehlendem Fahrdraht im Zulauf nach Berlin scheitern, weil Deutschland lieber die bahntechnischen Standards der Deutschen Reichsbahn konserviert, statt fast 20 Jahre nach EU-Osterweiterung endlich grenzüberschreitend zu denken und zu handeln“, meint Anja Schmotz, stellvertretende Bundesvorsitzende bei Pro Bahn und Koordinatorin der Initiative deutsch-polnischer Schienenverkehr.
In diesem Licht gesehen ist auch die aktuelle Nahverkehrsausschreibung des VBB kritisch zu sehen. Sie schlägt die Ostbahn (RB 26) einem größeren Paket von Dieselstrecken in der Mark zu, bestellt Dieselverkehr bis 2036 und gibt zudem eine Einsatzgarantie für Dieselfahrzeuge bis 2048.
„Diese Ausgestaltung der Ausschreibung ist kontraproduktiv. Die Elektrifizierung auf deutscher Seite muss wesentlich früher realisiert werden. Die Ostbahn sollte aus dem ausgeschriebenen Dieselpaket ausgeklammert werden. Zudem muss die Bestellung von Verkehrsleistungen auf der Ostbahn in enger Abstimmung mit der Wojewodschaft Lubuskie und der Zentralregierung in Warschau erfolgen“, erklärt Ingo Koschenz, Mitglied der Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr.
Von den Betreibern wird im Rahmen der ansonsten auf Deutschland beschränkten Ausschreibung sinnvollerweise verlangt, mit Kostrzyn auch einen polnischen Bahnhof anzufahren. Ein Rückschritt: Durchgehende Züge bis Gorzów, die im Moment angeboten werden, sind in der Ausschreibung hingegen nicht mehr vorgesehen.