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Das hätte die GDL nicht machen können

16.11.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir alle wissen, dass die Rhetorik der GDL zuweilen wirklich sehr gewöhnungsbedürftig sein kann. Es tut aber auch gut, hin und wieder Verlautbarungen zu lesen, die nicht nur aus hohlen Phrasen und Gendersternchen bestehen. Denn natürlich kann die GDL einer Vereinbarung nicht zustimmen, die vorsieht, dass die eigenen Tarifverträge stets mit denen der EVG zu korrespondieren haben.

Die GDL ist eine eigenständige Gewerkschaft und hat den legitimen Anspruch, für ihre Mitglieder Tarifverträge abzuschließen – mit den Wettbewerbsbahnen ebenso wie mit der DB AG. Schon unter Mehdorn hat man beim DB-Konzern immer wieder versucht, Tarifeinigungen entweder auf bestimmte Konzerngesellschaften zu beschränken, um (Stichwort DB Heidekrautbahn GmbH!) bei künftigen Vergabenetzen neue GmbHs aus dem Hut zu zaubern oder man möchte sich auf sonst irgendeine Art und Weise von den Vereinbarungen mit der EVG abhängig machen.

Natürlich steht die EVG der DB AG politisch deutlich näher. Dabei geht es gar nicht um die angeblichen finanziellen Abhängigkeiten (oder auch nicht), das mögen tatsächlich nur Gerüchte sein. Aber vergessen wir nicht, dass die EVG, damals noch unter dem Namen Transnet, eine ganze Weile an den Verdi-Gründungsverhandlungen beteiligt war. Es soll Hartmut Mehdorn selbst gewesen sein, dem die Existenz einer reinen Eisenbahnergewerkschaft unter dem Dach des DGB eine Herzensangelegenheit war.

Die GDL war da schon immer die unangenehmere von beiden Gewerkschaften und – aus deren Sicht zurecht – lassen die sich nicht auf Vereinbarungen ein, die sie von der EVG abhängig machen. Zumal man bei der GDL ja auch inhaltlich überzeugt: Gerade jetzt, wo viele gut ausgebildete und motivierte potentielle Arbeitnehmer in Kurzarbeit sind oder um ihre Jobs fürchten müssen, muss die von der Konjunktur weitgehend unabhängige Eisenbahn sich als guter Arbeitgeber aufstellen.

Jetzt gilt es, mit guten Lohnabschlüssen Leute anzuwerben, die aus anderen Branchen kommen, in denen sie momentan nicht wissen, ob und wie es weitergeht. Es fehlen bundesweit Lokomotivführer und man hat bei der Einstellung wie auch bei der Ausbildung erhebliche Probleme. Aber jetzt besteht die Chance, dass die Leute sich entscheiden, zur Eisenbahn zu wechseln – und zwar solche, von denen man sicher sein kann, dass sie für einen anspruchsvollen Job geeignet sind.

In drei oder fünf Jahren, wenn die Konjunktur wieder angezogen ist, ist es umso schwieriger geeignete Leute zu finden, dabei bleibt der Personalbedarf langfristig so hoch, wie er jetzt ist. Nicht nur die DB AG, sondern auch viele andere Verkehrsunternehmen in der Branche haben einen überalterten Personalbestand und brauchen Leute.

Und gerade die DB AG könnte ja als Branchenprimus auch mitgehen und sagen: Wir zahlen mehr als alle anderen, damit die Leute zu uns kommen. Und ein GDL-Tarifabschluss ist in der subjektiven Wahrnehmung wirklich was wert. Denn aus gutem Grund werben viele Marktakteure in ihren Stellenanzeigen damit, dass sie Tarifpartner der GDL sind.

Siehe auch: DB AG und GDL: Schlichtung gescheitert

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