Multimodal in eine echte Verkehrswende
14.09.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Es bestätigt sich also doch, dass die Leute sehr wohl bereit sind, auf ihr (eigenes) Auto zu verzichten, wenn es im Rahmen multimodaler Angebote entsprechende Alternativen gibt. Das Auto gibt den Menschen ein großes Stück Autonomie (der Wortstamm ist aus gutem Grund der gleiche), man macht sich unabhängig von den Fahrplänen irgendwelcher Verkehrsunternehmen, deren Verspätungen und Schlechtleistungen man sich oft hilflos ausgesetzt sieht.
Vielfach sind gerade kommunale Verkehrsunternehmen in der Wahrnehmung vieler Fahrgäste noch immer ein Gutsherr, auf dessen Gnade man nicht angewiesen sein möchte, deshalb kauft man sich ein Auto, um die eigene Mobilitätsverfügbarkeit sicherzustellen. Die Phantasien eines Teils der Schienenlobby, man müsse Autofahrer schikanieren, horrende Parkgebühren, idealerweise auch noch eine Innenstadtmaut, höhere Benzinpreise, Autosteuern und weiß der Kuckuck was noch alles.
Die Realität zeigt: All das funktioniert nicht, es trägt allenfalls zur Verödung der Innenstädte bei und fördern den Internethandel und die Einkaufszentren mit vielen kostenlosen Parkplätzen auf der grünen Wiese in der Nähe der Autobahn. Es sind die multimodalen Angebote indes, die zeigen, dass es geht: Wenn ich weiß, dass ich mir bei Bedarf ein Auto holen kann, um meine Getränkekisten und Wocheneinkäufe nach Hause zu bringen – und zwar auch ohne das ganze mehrere Tage im voraus anmelden zu müssen – dann kommt nach und nach der Verzicht auf das eigene Auto.
Dabei ist natürlich ein Erfahrungsprozess, die meisten Leute fangen damit mal an, wollen mal gucken, mal ausprobieren was diese „Kurzzeitmiete“ eigentlich ist und stellen sehr schnell fest: Hey, das funktioniert ja besser als gedacht. Und es ist auch immer ein Auto in der Nähe. Ich muss gar nicht erst eine halbe Stunde mit dem Bus fahren, um zu irgendeinem Carsharing-Auto zu kommen, das sich vielleicht schon jemand anders geholt hat, wenn ich da bin.
Es geht viel einfacher. Die Autos stehen da, man kann sie mit der Abokarte des Verkehrsverbundes oder mit dem Smartphone öffnen und alles ist viel leichter als gedacht. Und wenn man es auch im Kopf schafft, ideologische Gräben zuzuschütten und anzuerkennen, dass es eine Gesellschaft ohne Auto nicht geben wird, bzw. dass eine solche Gesellschaft ein Rückfall in spätmittelalterliche Zeiten wäre, dann kann man wirklich etwas zum positiven verändern.
So manches Fahrzeug, das 23 Stunden am Tag ein Stehzeug ist und Parkraum blockiert, wird es dann womöglich nicht mehr geben und die Leute wissen, dass sie bei Bedarf einfach eins holen können. Teilen statt besitzen klingt zunächst etwas merkwürdig, aber die Idee dahinter ist gut. Und die muss man, gerade im urbanen Raum, sehr wohl weiterverfolgen. Nun ist das ganze switchh-Programm vor einigen Monaten von der Hochbahn an den HVV übergeben worden, vermutlich weil es für das Verkehrsunternehmen nicht darstellbar ist. Aber für die Politik sollte es darstellbar sein, diese Studie der TU Hamburg belegt den Erfolg.
Siehe auch: HVV switchh: Nutzer verzichten aufs Auto