Mofair und Allrail haben recht
10.09.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Viele Politiker sagen nicht aus Gewohnheit nach wie vor „Bundesbahn“, sondern weil sie wesentliche Merkmale der Eisenbahnreform auch nach 25 Jahren nicht nur nicht verstanden haben, sondern weil sie in aller Regel nicht einmal wissen, dass die alte Behördenbahn aus guten Gründen abgeschafft wurde. Man muss das auch deshalb nachvollziehen, weil diverse Posten in Ausschüssen oder auch als Minister und Staatssekretär oftmals nach Regional- oder Parteiproporz vergeben werden und eben nicht, weil sie einer schon lange mit verkehrspolitischen Fragen beschäftigt hat.
Darum hat die Lobbyarbeit der DB AG es oftmals leicht, manipulativ zu argumentieren und Politikern Dinge zu erzählen, die nicht erst auf den zweiten Blick völlig abstrus sind. Aber man setzt diesen Konzern nach wie vor mit der alten Bundesbahn gleich und diese mit dem Verkehrsträger Schiene an sich – und es wird ein dickes Brett für Allrail und Mofair zu bohren sein, um das zu ändern.
Gerade wenn man bedenkt, welche Summen der DB-Konzern in seine Lobbyarbeit steckt. Dabei haben Mofair und Allrail natürlich völlig recht. Wenn man die Schiene stärken will, dann kann man das über höhere Regionalisierungsgelder oder angesichts der aktuellen Personalsituation vielleicht über ein Sonderprogramm, das Menschen, die in den kommenden Monaten und Jahren ihre Arbeit verlieren, zu Lokomotivführern oder anderen Eisenbahnern macht.
Das Geld einfach dem Konzern zu geben, ist ordnungspolitisch nicht statthaft und hilft der Schiene nicht. Es sorgt einzig dafür, dass die DB AG einseitige Vorteile hat. So kann man mit jährlich einer Milliarde Euro für mehrere Ausschreibungsnetze neue Züge anschaffen. Das sind Investitionskosten, die alle anderen Akteure auf dem Kapitalmarkt finanzieren müssen.
Dabei stimmt es schon, dass viele auf dem deutschen Schienennetz Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren, deren Gesellschafter im Eigentum europäischer Staatseisenbahnen stehen. Nur: Natürlich zahlt der italienische Staat keine Kapitalerhöhung für die deutsche Firma Netinera, sondern die müssen sich selbst bei Gesellschaftereinlagen das Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen.
In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Ausschreibungen, bei denen Aufgabenträger optional Finanzierungshilfen angeboten haben. Auch hier wäre die DB AG unverhältnismäßig im Vorteil, weil man geschenktes Geld hätte. Dabei war es in der Zeit nach der Jahrtausendwende in nicht wenigen Fällen ebenfalls ein Sündenfall, dass die Länder Züge zugunsten der DB AG „gefördert“, also einseitig einem Akteur Rollmaterial geschenkt haben.
Übrigens, all die Leute, die Finanzierungshilfen kritisch sehen, waren und sind in solchen Fällen immer sehr, sehr leise, bis heute. Dabei müssen wir uns jetzt endlich mit der marktwirtschaftlichen Realität auseinandersetzen. Wir haben keine alte Bundesbahn mehr, es gibt zahlreiche Akteure auf der Schiene, die miteinander auf unterschiedlichen Ebenen zu tun haben. Sie alle haben den legitimen Anspruch, von Staatshilfen gleichermaßen zu profitieren.
Siehe auch: Wettbewerber fordern Auflagen zur DB-Kapitalerhöhung