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Allianz pro Schiene kritisiert Politik

17.09.20 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In der letzten Woche hat das Statistische Bundesamt Daten zur Verkehrsinfrastruktur vorgelegt. Bei der Allianz pro Schiene wertet man das „als amtlichen Beleg für eine völlig fehlgesteuerte deutsche Verkehrspolitik.“ „Jetzt ist es offiziell. Die deutsche Verkehrspolitik steuert in die völlig falsche Richtung. Sie hat sich über Jahrzehnte hinweg umwelt- und klimapolitisch in eine Sackgasse manövriert“, so Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege.

Flege: „Wenn wir beim Klimaschutz vorankommen wollen, brauchen wir eine Neuausrichtung, eine Wende der Verkehrspolitik um 180 Grad. Künftig muss der Schwerpunkt auf klimafreundlichem statt auf umweltbelastendem Verkehr liegen.“ „Das Auto dominiert als Verkehrsmittel die deutsche Verkehrsinfrastruktur“, folgert das Statistische Bundesamt aus seiner Analyse der Infrastrukturdaten aus den vergangenen Jahrzehnten. Das Straßennetz für den überörtlichen Verkehr war 2019 laut den amtlichen Daten fast sechsmal so dicht wie das Schienenstreckennetz.

Dies ist das Ergebnis einer dauerhaft einseitig auf die Straße ausgerichteten Verkehrspolitik. Die Autobahnlänge stieg zwischen 1995 und 2019 um 18 Prozent. Das Bundesschienennetz schrumpfte im selben Zeitraum um gut zwanzig Prozent – also in den Jahren nach der Eisenbahnreform und der Abschaffung der Behördenbahn. „Diese Fehlsteuerungen lassen sich nicht über Nacht korrigieren“, betonte Flege. „Wir brauchen jetzt eine Verkehrspolitik, die dauerhaft und nachhaltig den Schwerpunkt auf den Ausbau der klimafreundlichen Schiene setzt.“

Ein weiterer Beleg für die Fehlausrichtung und Fehlentwicklungen im deutschen Verkehrssektor ist die Pkw-Dichte. Sie ist laut Statistischem Bundesamt zwischen 2009 und 2019 noch einmal um zwölf Prozent auf 569 Pkw pro tausend Einwohner gestiegen. Zum Vergleich: Die Zahl der Bahnhöfe ging in demselben Zeitraum um gut ein Prozent zurück. „Immer mehr Autos, dafür weniger Bahnhöfe und weitere Wege für die Menschen zur Schiene – mit dieser Bilanz kann niemand zufrieden sein“, sagte Flege.

Die Priorität für die Straße schadet nicht nur der Umwelt. Sie ist auch ungerecht. Darauf weist das Umweltbundesamt ebenfalls hin. Demnach leisten sich vor allem Haushalte mit hohem Einkommen mehrere Autos. Unter den Haushalten mit dem höchsten ökonomischen Status besitzt jeder Zehnte mehr als drei Autos. Über die Hälfte der Haushalte am unteren Ende der Wohlstandsskala verfügt über gar kein Auto.

Doch die Preise für den öffentlichen Personennahverkehr sind laut Umweltbundesamt zwischen 2000 und 2018 um 79 Prozent gestiegen. Bahntickets wurden um 57 Prozent teurer. Die Kosten für den Kauf und Unterhalt eines Pkw nahmen dagegen um nur 36 Prozent zu. Das ist für Dirk Flege auch aus sozialpolitischen Gründen inakzeptabel. „Gerade die Menschen mit geringem Einkommen sind auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz angewiesen“, so Flege. „Wer den öffentlichen Verkehr fördert, fördert auch die Gerechtigkeit.“

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