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Tram-Train-Ausschreibung für alle gestartet

10.08.20 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Karlsruher Modell ist nicht nur, ähnlich wie die Wuppertaler Schwebebahn, weltbekannt, es findet auch zahlreiche Nachahmer. Nun geht es um die Zukunftssicherung des Konzeptes, Tram- und Eisenbahnverkehr zu verbinden. So soll es auch in den kommenden Jahrzehnten ermöglicht werden, umsteigefrei aus der Region direkt vor die Geschäfte der Innenstadt zu fahren.

Im Rahmen des Projekts VDV-Tram-Train haben jetzt sechs deutschsprachige Verkehrsunternehmen gemeinsam 504 Regionalstadtbahn-Fahrzeuge ausgeschrieben und warten in den kommenden Monaten auf die Angebote der Fahrzeughersteller. Die Ausschreibung umfasst neben der Fahrzeugentwicklung, -produktion und -zulassung auch einen auf bis zu 32 Jahre angelegten anschließenden Instandhaltungsvertrag mit dem Hersteller. Dadurch entsteht ein Gesamtprojektvolumen von rund vier Milliarden Euro.

„Das ist ein nie dagewesenes Projekt, auf das wir alle stolz sein können. Ich bin froh und erleichtert, dass unsere dreijährige gemeinsame Arbeit nun Früchte trägt. Jetzt sind wir sehr gespannt auf die Angebote“, betont Ascan Egerer, technischer Geschäftsführer der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK).

Die Gesamtprojektleitung liegt bei den Karlsruher Unternehmen. Die Projektpartner VBK, AVG, Saarbahn Netz, Schiene Oberösterreich, das Land Salzburg und der Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb wollen durch die gemeinsame Großbestellung bis zu eine Million Euro pro Fahrzeug einsparen. „Das war von Anfang an die Zielsetzung, um die Tram-Trains im Vergleich zu günstigeren Vollbahntriebzügen wettbewerbstauglich zu halten und daran haben wir auch festgehalten.

Der Industriedialog, den wir im Rahmen des Projekts mit namhaften Schienenfahrzeugherstellern geführt haben, hat gezeigt, dass zum einen die gewünschte deutliche Einsparung für alle Partner möglich ist und zum anderen, dass die Forderungen unseres technischen Lastenhefts vom Hersteller auch tatsächlich umgesetzt werden können“, erklärt Gesamtprojektleiter Thorsten Erlenkötter von den VBK.

Es wird eine Standardkonstruktion geben, deren Entwicklungs- und Zulassungskosten sich die Partner teilen: Das ist ein wesentlicher Einsparungspunkt. Des Weiteren sollen fünf Varianten produziert werden, die betreiberspezifische Anforderungen wie zum Beispiel an Einstiegshöhe, Lackierung und Einsatzort erfüllen. So benötigen die VBK etwa ein Einsystem-Einrichtungsfahrzeug für den Innenstadt-Tram-Verkehr und das Land Salzburg für die Salzburger Lokalbahn eine Version, die nur unter 750 Volt beziehungsweise tausend Volt Gleichspannung fahren kann.

Weiterhin bekommen die baden-württembergischen Unternehmen, AVG und Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, deren Fahrzeuge vom Auftrag gebenden Land Baden-Württemberg über die Schienenfahrzeuggesellschaft Baden-Württemberg (SFBW) beschafft werden, Fahrzeuge mit Toiletten, die bei der Schiene Oberösterreich nicht in allen Fahrzeugen vorhanden sein müssen. Die Saarbahn kauft die Basisvariante und erhält daher auch die ersten Fahrzeuge.

Im Juli 2024 erwartet das saarländische Verkehrsunternehmen die ersten vier Vorserienfahrzeuge, um in die Jahre gekommene Tram-Trains auszutauschen. Die AVG und die Saarbahn sind jene Projektpartner, die bereits seit Jahrzehnten erfolgreich ein Regionalstadtbahnsystem betreiben. Die vier anderen Betreiber führen solche Verbindungen zwischen Stadt und Region neu ein und profitieren von den erfahrenen Partnern.

„Der Erfahrungsaustausch war auch ein wesentliches Ziel unseres gemeinsamen Projekts. Denn das Schöne an unserer Branche ist: Wir sind keine Konkurrenten, sondern haben alle das gemeinsame Ziel, möglichst viele Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu überzeugen. Dazu braucht es attraktive Angebote, wie die Tram-Train-Systeme in Karlsruhe und Saarbrücken zeigen“, erläutert Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik im VDV.

Die Auslieferung der Fahrzeuge erstreckt sich dann gemäß einem festen Plan über insgesamt zehn Jahre, sodass der Hersteller langfristige Planungssicherheit haben wird. „Die Instandhaltung der erworbenen Bahnen schreiben wir direkt mit aus. Das hat den großen Vorteil, dass über die Dauer der voraussichtlichen Fahrzeuglaufzeit der Hersteller für die Instandhaltung verantwortlich ist und damit eine dauerhaft gute Qualität und Verfügbarkeit gewährleistet werden kann“, erklärt Thorsten Erlenkötter.

Siehe auch: Marktwirtschaft auch auf der kommunalen Schiene

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