Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Neue Züge und die langfristige Verantwortung

31.08.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

In den letzten Jahren sind die Berliner Verkehrsbetriebe AöR durch alles mögliche aufgefallen: Skurrile Werbung, für die man trotz der so empfundenen massiven Unterfinanzierung immer genug übrig hatte, erhebliche Spielschulden, weil man bei dubiosen Börsengeschäften hohe Summen verjubelt hat sowie ein insgesamt einer Hauptstadt nicht angemessenes Qualitätsmanagement.

In Berlin sind Bahnstationen regelmäßig so demoliert wie Busse und Bahnen und man versucht das, mit einem zum Teil absurden Auftritt in den sozialen Medien zu kompensieren. Umso schöner ist, dass man jetzt tatsächlich mal eine Nachricht hat, die sich mit erheblichen Verbesserungen beschäftigt. Berlin kriegt neue U-Bahntriebzüge. Natürlich ist es nicht zeitgemäß, dass diese ohne Klimaanlage fahren und das zeigt einmal mehr, in welchem Zustand sich die Bundeshauptstadt befindet.

In wohl keiner anderen deutschen oder europäischen Großstadt würde man solch eine Entscheidung politisch durchsetzen können. Aber gut, Berlin war halt schon immer was besonderes, sodass man sich auch mit anderen Seiten beschäftigen muss: Je mehr Kompatibilität die Fahrzeuge untereinander haben, desto geringer fallen in den kommenden Jahrzehnten die Wartungs- und Instandhaltungskosten aus.

Jedes zusätzliche Teil, das man zwischen dem Normal- und Kleinprofil tauschen kann, sorgt dafür, dass die Anschaffung einfacher ist. Natürlich hat man hier das Problem, dass der Hersteller die Züge zwar liefert, aber nach einigen Jahren nicht mehr bei der Instandhaltung dabei sein wird. Ersatzteile kann man der BVG AöR also für gutes Geld verkaufen, ebenso mögliche Beratungsleistungen, wenn man nicht mehr weiterweiß.

Und wenn ich daran erinnern darf, dass der BVG AöR noch vor ein paar Jahren reihenweise Busse in Flammen aufgegangen sind und man sich externen Sachverstand ins Haus holen musste, dann weiß ich nicht, ob dieses Unternehmen auf Jahrzehnte in Eigenregie in der Lage ist, die Fahrzeuge so in Schuss zu halten, dass sie auf Dauer funktionieren.

Hier ist überhaupt der Punkt gekommen, wo die Frage nach einer möglichen Herstellerwartung nicht mehr nur die nach dem wirtschaftlichen Interesse der Industrie ist. Denn natürlich freuen die sich, wenn sie langfristige Aufträge kriegen. Die freuen sich aber auch, wenn sie Ersatzteile verkaufen oder Beratungsleistungen anbieten können. Man weiß heute, dass durch langfristiges Im-Boot-Halten der Hersteller die Fahrzeuge wartungsfreundlicher werden.

Nun muss man natürlich aufpassen: Auf keinen Fall sollte so ein Unternehmen hier an Know-How abbauen. Es wäre also durchaus sinnvoll, eine langfristige Kooperation beizubehalten, in der durchaus ein Teil, auch ein erheblicher Teil des Werkstattpersonals bei der BVG AöR beschäftigt ist. Nur ein Modell sollte, ganz gleich wie die Vertragssituation ist, als überaltert gelten: Wenn man den Hersteller nach der Garantiezeit aus der Verantwortung entlässt. Wollen wir hoffen, dass es in Berlin besser klappt als aktuell bei der Wuppertaler Schwebebahn.

Siehe auch: BVG AöR stellt neue U-Bahntriebzüge vor

Kommentare sind geschlossen.