Eine neue technologische Aufbruchstimmung
24.08.20 (Bayern, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Braucht ausgerechnet Nürnberg eine fahrerlose U-Bahn? Wahrscheinlich nicht und wenn überhaupt, dann sollte man etwa in Hamburg oder Berlin über so etwas nachdenken. Planungen an der Wuppertaler Schwebebahn in dieser Richtung gab es in den 1990er Jahren, welche allerdings wieder verworfen worden sind. Man muss den Nürnberger allerdings zugutehalten, dass sie es schaffen, ihre kommunale Schiene überhaupt am Laufen zu halten.
Die Wuppertaler Schwebebahn fährt ja seit Jahren nur noch gelegentlich, ein einstiges Symbolbild für deutsche Fortschrittlichkeit wird zur internationalen Lachnummer. Da steht Bayern, einmal mehr, deutlich besser da als Nordrhein-Westfalen. Denn natürlich ist das primäre Ziel nicht, dass man die Nürnberger U-Bahn vollautomatisch betreibt oder einzelne Linien dafür vorrüstet.
Hier geht es um was anderes: Man möchte der Welt zeigen, dass deutsche Technologie, die man überall hin exportieren kann, im eigenen Land bereits funktioniert. Der bayrische Siemens-Konzern kann in Nürnberg Kunden aus mittelamerikanischen Megastädten, orientalischen Ölmetropolen oder südostasiatischen Boomtowns zeigen, dass man selbst genau das hat, was man dort gerne verkaufen möchte.
Das ist der eigentliche Grund, wieso man in einer Stadt wie Nürnberg wirklich eine fahrerlose U-Bahn hat. Und um wieder den Bogen nach Wuppertal zu spannen: Derzeit möchten wir wohl niemandem zeigen, dass wir leider auch immer wieder Fälle haben, in denen uns gar nichts mehr gelingt, sei es der Berliner Flughafen, sei es Stuttgart 21 oder eben die Wuppertaler Schwebebahn.
Alle zwei Jahre, voraussichtlich im Frühjahr 2021, wird die Eisenbahnwelt auf der Innotrans wieder zu Gast bei Freunden sein und sich die tollsten und modernsten Erfindungen angucken, die im In- und Ausland gemacht worden sind. Der Weg rund um das Berliner Messegelände wird allerdings erneut höchstens als abschreckendes Beispiel dienen: Ein wie eine öffentliche Toilette riechender Zugangstunnel, seit Jahren kaputte und demolierte Aufzüge, Rolltreppen, die mal gehen und mal kaputt sind und vieles mehr.
Dabei haben wir in Deutschland allen Unkenrufen zum Trotz noch immer unsere hellen Köpfe, unsere schlauen Leute, unsere Nachwuchsingenieure, Tüftler und Erfinder. Wir müssen diesen Menschen nur die Gelegenheit geben, ihre Ideen hier im Inland umzusetzen. Wir müssen einerseits verhindern, dass diejenigen, die hier gute Ideen haben, diese erst im Ausland verwirklichen können und andererseits junge Leute fördern, die voller Idealismus und Tatendrang sind.
Wir brauchen eine neuen technologische Aufbruchstimmung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr haben. Die Corona-Krise könnte genau die Chance sein, die es zu nutzen gilt: Die Wirtschaft wird einbrechen, wir brauchen ein großes Konjunkturprogramm statt in diese Krise hineinzusparen. Schulen sanieren und Bahnhofsdächer reparieren ist das eine. Aber man muss auch die visionären Dinge tun. Wir brauchen eine neue Kultur des Machens und nicht des Ablehnens.
Siehe auch: Nürnberg: Neuer U-Bahnzug G1 kommt