Drei Jahre nach der Rastatt-Havarie
17.08.20 (Baden-Württemberg, Europa, Fernverkehr, Güterverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Drei Jahre nach dem Einsturz an einer besonders neuralgischen Stelle hat der schon weit gediehene Eisenbahntunnel in der Rheinebene bei Rastatt das Zeug, zum kleinen BER des Südwestens zu werden. Im August 2017 senkte sich unter der zweigleisigen Rheintalbahn der Baugrund beim Tunnelbau, so dass die Bahngleise absackten. Die Strecke wurde zwischen für den europäischen Güter- und den Personenzugverkehr komplett gesperrt und erst am 2. Oktober wieder freigegeben.
Mangels geeigneter Umfahrungsmöglichkeiten, die teils ebenfalls durch Bauarbeiten unpassierbar waren, wurde die europäische Halsschlagader im Schienengüterverkehr sieben Wochen lang vollständig abgeklemmt – und der Personenverkehr mit Pendelbussen und einer Stunde Zeitverlust abgewickelt. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, zeigte sich unzufrieden damit, dass auch nach drei Jahren die Schäden der Eisenbahnunternehmen durch die DB Netz AG nicht reguliert sind und prozessiert werden muss.
Westenberger: „Am 4. September wird der 15 Kilometer lange Ceneri-Tunnel im Tessin offiziell eröffnet. Zusammen mit dem Gotthard-Basistunnel ermöglicht die Schweiz damit noch in diesem Jahr im Güterverkehrskorridor Rhine-Alpine den Betrieb von Güterzügen mit einer wettbewerbsfähigen Länge und Beladung quer durch die Alpen. Geringe Längsneigungen und damit Basis- statt Scheiteltunnel im Gebirge sind hierfür der Schlüssel.“
24 Jahre nach Abschluss und kurz vor dem damals fixierten Zieldatum (31. Dezember 2020) des deutsch-schweizerischen Staatsvertrages von Lugano sieht es auf deutscher Seite mit dem Schienenausbau traurig aus, was Reisende und Güterbahnen täglich in Form mangelnder Qualität spüren. Bis heute wurden hierzulande nur sechzig der vereinbarten rund 175 Kilometer auf vier Gleise ausgebaut. In Rastatt soll der schon 1998 planfestgestellte vier Kilometer lange Tunnel nun erst Ende 2025 in Betrieb gehen.
Für acht Jahre besteht an der Havariestelle eine Langsamfahrstelle. Am Schluss stehen Gewichtslimits durch kritische Neigungen an den Tunnelrampen, wo vorher eine Flachbahn war. Statt der offiziell veranschlagten knapp 700 Millionen Euro wird der Tunnelbau die Milliardengrenze deutlich überspringen – den deutlich längeren Ceneri-Tunnel hat die Schweiz dagegen für zwei Milliarden Franken gebaut. Eine wichtige Konsequenz von Rastatt funktioniert immerhin.
Westenberger: „Der tragische Unfall in Auggen, wo am 2. April der Lokführer eines Güterzuges durch den Einsturz einer zum Abriss vorgesehenen Brücke zu Tode kam und die Rheintalbahn wiederum für eine Woche vollständig gesperrt wurde, hat gezeigt, dass man sich besser auf Havarien vorbereiten kann. Das nach Rastatt von der DB Netz ausgearbeitete „Contingency-Handbook“ hat im April alle Beteiligten sehr produktiv am Weiterbetrieb zusammenwirken lassen.“
Das Grundproblem mangelnder paralleler Infrastrukturen für Umleiterverkehre und Spitzenbelastungen sei aber noch keinen Schritt einer Lösung nähergekommen. Westenberger bedauerte, dass außer der Schweiz niemand die im Rheintal naheliegendste Lösung, linksrheinisch den Abschnitt von Wörth bis Strasbourg zu ertüchtigen, weiterverfolge.
Selbst die Planung eines provisorischen Umleitungsbetriebs hätte nach Auffassung des Verbandes die Verzögerung beim Weiterbau in Rastatt verhindern können. DB und die ARGE der Baufirmen hatten sich vor rund einem Jahr endlich zu einer Weiterführung der Bauarbeiten erklärt, diese aber Ende 2019 aus Sicherheitsgründen noch einmal aufgeschoben.
Westenberger: „Dass die Sicherheit des laufenden Zugverkehrs absolute Priorität genießen muss, ist richtig. Allerdings war die Rheintalbahn im Spätsommer 2017 nur deswegen sieben Wochen lang gesperrt, weil zwei riesige Platten in den Boden betoniert wurden, um im Kreuzungsbereich die beiden Tunnelröhren und die darüber liegende bestehende Strecke und den Betrieb zu schützen.“
Jetzt wird eine der Betonröhren zur Bergung der Tunnelbohrmaschine wieder aufgerissen und der anderen traut man offenbar die erwartete Schutzwirkung nicht zu. Mit Hilfe einer Grube an der Oströhre, einem kurzen Stück Maschinenvortrieb an der Weströhre und einer zeitweisen Verlegung eines kurzen Stücks der bestehenden Strecke soll es weitergehen. Westenberger: „Das erinnert sehr an die Vorschläge von Experten aus der Zeit unmittelbar nach der Havarie, die von DB und ARGE seinerzeit leider verworfen wurden.“
Siehe auch: Es hat wirklich BER-Ausmaße