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Rationalität statt Narrative

30.07.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn ich was von „grünem Wasserstoff“ lese, dann denke ich jedes mal, ich wäre im falschen Film. Es gibt keinen grünen Wasserstoff, denn Wasserstoff-Moleküle mit der Formel H2 bilden ein farb- und geruchloses Gas. Natürlich geht es beim Narrativ des grünen Wasserstoffs nicht um die Farbe, sondern um die vermeintlich umweltschonende Gewinnung, Transport oder was auch immer.

Nur, wenn man sich dann einmal in diese Thematik alternativer Antriebsarten einliest, stellt man fest, dass diese zwar unkonventionell sein mögen, aber nicht neuartig sind. Wasserstofftraktion und elektrische Traktion, basierend auf Batteriespeicher) sind ähnlich alt wie Otto- und Dieselmotoren. Sie haben sich aber nie auf dem Markt durchsetzen können.

Bei Bussen ohnehin nicht, auf der Schiene ist die Oberleitung die Regel, oder aber man muss mit Dieseltraktion fahren. Und jetzt wird uns von allen möglichen Seiten weisgemacht, dass man einfach nur die letzten hundert Jahre versäumt hat, ordentlich zu forschen und schon wird alles gut und wir können die Verbrennungsmotoren überwinden. Das klingt ja gut, aber wieso hat man es denn nie gemacht? Weil es unwirtschaftlich ist und weil konventionelle Traktionsarten im Vergleich zu dem, was jetzt „neu“ genannt wird, einfach sinnvoller ist.

Das heißt nicht, dass die Eisenbahnbranche, hier in Großbritannien in Form eines Herstellers und einer großen Leasinggesellschaft, nicht auch bestimmte Versuchsprojekte mit allem gebotenen Interesse begleiten sollte. Wenn es einen politischen Willen gibt, mit der Holzhammermethode zu exotischen Antrieben zu wechseln, dann kann man mal einzelne Fahrzeuge anschaffen.

Und seien wir ehrlich, von einer Million Pfund Sterling kann man sich keine ganze Flotte kaufen, sondern das wird wahrscheinlich ein Testzug sein, vielleicht kommen ein zweiter oder ein dritter dazu und dann gucken wir mal weiter. Derweil bleibt der Markt für konventionelle Traktion aber groß und man hat ähnliche Effekte wie bei Dieselbussen: Dadurch, dass es eine hohe Abnahmemenge gibt, ist es für die Hersteller lukrativ, ihre Technologie in diesen Bereichen weiter fortzuentwickeln, es wird also immer besser und das ganz ohne Fördergelder.

Hier wirkt die viel zitierte unsichtbare Hand des Marktes, der Markt regelt die Dinge in vielen Fällen effizienter und wirtschaftlicher als es in die politisch gewünschten Narrative passt. Gleichzeitig aber werden immer mehr Bahnstrecken elektrifiziert, sodass sich die Frage nach Batterieantrieb, Wasserstoffzügen oder sonst was gar nicht mehr stellt.

Sichtwort Batterietraktion: Die Bundesbahn hatte in West-Deutschland mit den 515er-Triebzügen ihre Akkublitze im Einsatz – und dennoch blieben sie die Ausnahme, eine Nachfolgetechnologie gab es nicht. Die in den 1950er und 1960er Jahren angeschafften Züge liefen zwar in Teilen relativ lange, aber sie waren nicht die Grundlage für den flächendeckenden Umbau von Diesel- und Batterietraktion. Die Nachteile überwogen so deutlich, dass es eine Ausnahmeerscheinung bleiben sollte. Und das bleiben wohl auch die Wasserstoffzüge.

Siehe auch: Eversholt und Alstom investieren in Wasserstoffzüge

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