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Die Eisenbahn bleibt personalintensiv

04.06.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist unter Rüdiger Grube wie auch schon unter Hartmut Mehdorn kein Streik der GDL ins Land gegangen, bei dem der DB-Konzern nicht die flächendeckende Einführung vollautomatischer Züge für die sehr nahe Zukunft angekündigt hat. Das Narrativ war klar: Schon in wenigen Jahren werden die Lokomotivführer überflüssig sein und je höher die Tarif- und Lohnabschlüsse sind, desto wirtschaftlicher wird es, in die entsprechende Forschung zu investieren.

Die Lokomotivführer könnten dann in eine GmbH überführt werden, die man einfach auflöst bzw. den Vertrag kündigt, wenn die selbstfahrenden Züge da sind. Die Realität ist natürlich eine andere. Man stelle sich einmal vor, irgendwo zwischen Köln und Siegen oder zwischen Emmerich und Oberhausen bleibt ein Zug mit einem technischen Defekt liegen.

Vielleicht fällt die Oberleitung aus oder es gibt einen Suizid. Auch ein Bahnübergangsunfall ist im Bereich des möglichen. Der nächste Mitarbeiter eines Eisenbahnunternehmens wäre dann womöglich hunderte von Kilometern weit weg. Müsste erste ein Notfallmanager von DB Netz aus Duisburg kommen? Müsste das fahrende Verkehrsunternehmen aus der eigenen Zentrale jemanden schicken, der womöglich erst nach einer mehrstündigen Autofahrt vor Ort ist?

Ist solange niemand da, der einen Zug sicher evakuieren kann? Was ist, wenn Panik ausbricht oder Fahrgäste gewaltsam die Türen oder Fenster öffnen, weil es vielleicht dunkel ist und sich irrationale Angst ausbreitet? Klingt Ihnen das zu theoretisch? Das mag durchaus sein. Aber die Ausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst, sei es die dreijährige Berufsausbildung oder die mehrmonatige Funktionsausbildung, sieht eben genau die Vorbereitung auf solche Unfälle und Notsituationen vor.

Es ist ja durchaus legitim, wenn man mit etwas wissenschaftlichem Interesse auch die Entwicklung fahrerloser Züge begleitet, die man in geschlossenen Metrosystemen im urbanen Raum sicherlich auch nicht auf Dauer ausschließen kann. Aber schon wenn man auf ein halbwegs offenes Stadtbahnnetz trifft, scheint der fahrerlose, erst recht der personallose Zug unmöglich zu sein.

In Wuppertal hat man entsprechende Planungen schon vor Jahrzehnten aus gutem Grund verworfen, weil es einfach technisch und rechtlich nicht darstellbar ist, dass so ein Zug ohne ausgebildetes Personal unterwegs ist. Wie soll das dann bei der „großen Eisenbahn“ klappen? Die Realität ist eine andere: Die Eisenbahn wird auf Dauer einen hohen Personalbedarf haben und für die Menschen, die sich für einen beruflichen Werdegang rund um die Schiene entscheiden, langfristige Sicherheit bieten.

Das heißt nicht, dass man nicht mal im Rahmen eines Betreiberwechsels zu einem anderen Arbeitgeber gehen muss oder dass jede Einsatzstelle eine Bestandsgarantie bis zum Sanktnimmerleinstag hat. Aber es heißt, dass die Schiene personalintensiv ist und bleiben wird. Gerade bei der jetzt einbrechenden Wirtschaftsleistung können viele Menschen hier eine neue Betätigung finden und in Lohn und Brot kommen.

Siehe auch: Selbstfahrende Regionalzüge im Test

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