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Wir wissen nicht, was kommt

06.04.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Grunde dürfte es doch alles gar nicht so problematisch sein: Durch langfristige Finanzierungszusagen sind die Budgets im Eisenbahnwesen auf Jahrzehnte abgesichert. Niemand muss sich Sorgen machen, dass ein Konjunktureinbruch voll durchschlägt. Doch vergessen wir nicht: Der hohe Kostendeckungsgrad, auf den man in dieser Branche so stolz ist, hat auch eine Kehrseite, nämlich dass ein erhebliche Anteil des Umsatzes am Markt erwirtschaftet wird, also vom Endkunden kommt.

Wenn die Fahrten jetzt nicht weiter steigen, oder – wie man wohl schon jetzt sicher sagen kann – sogar abnehmen, dann implodiert sehr schnell auch die mittelfristige Finanzplanung in der Branche. In Nettoverträgen sind es die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die in Schwierigkeiten geraten. Bei Bruttoverträgen sind es die jeweiligen Aufgabenträger. Umsatzverluste, wie sie jetzt zu befürchten sind, betrifft jede Branche.

Nicht umsonst gab es erst jüngst den Aufruf in Baden-Württemberg, dass man Schülertickets möglichst nicht kündigen soll. Das gilt für Zeitkarten jedweder Art und sehr sollte es nach den Osterferien ein Zurück zur Normalität geben, dann wäre der Verlust überschaubar. Man muss aber natürlich dennoch auf die übrigen Wirtschaftsdaten sehen: Werden viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, gerade jetzt, wo ohnehin ein konjunktureller Abschwung angestanden hätte?

Diese werden dann womöglich als Berufspendler und Zeitkarteninhaber fehlen. Oder gelingt es mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln wie der Kurzarbeit, dass man die Sache halbwegs unbeschadet übersteht? Davon wird auch die weitere Entwicklung im Eisenbahn- und ÖPNV-Geschäft abhängen und so manch ein Aufgabenträger wird die Investition in neue Züge womöglich verschieben oder einfach weniger bestellen, weil sich manches mit Gebrauchtfahrzeugen erledigen lässt, so diese denn verfügbar sind.

Oder wird die Bundesregierung (und das hängt natürlich stark von der jetzt noch nicht absehbaren Regierungskonstellation nach der nächsten Bundestagswahl ab) ein Konjunkturprogramm starten, von dem auch die Schieneninfrastruktur profitiert? Wir wissen es im Moment nicht, aber Deutschland kann es sich nicht leisten, eine so wichtige Industrie den Bach runtergehen zu lassen.

Vielleicht einigt man sich aber auch auf einen rigiden Sparkurs, es wäre nicht das erste mal, dass man „in die Krise hineinspart“ und dann könnte es schlecht aussehen: Natürlich sind die Regionalisierungsgelder langfristig gesichert, doch im Rahmen der allgemeinen Bund-Länder-Verhandlungen können sich die Akteure auch jederzeit auf eine Senkung einigen.

Vielleicht kommt man sich, wie 2007, auch wieder auf halbem Weg entgegen: Man lässt Gelder weiter fließen, nennt sie aber nicht mehr Regionalisierungsgelder und streicht die Zweckbindung. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Bundesländer das Geld anderweitig verfrühstücken. Deshalb kann man jetzt nur eins machen: Wir appellieren an die Vernunft der politischen Entscheidungsträger, denn wir brauchen die Schiene für unsere Wirtschaft und Gesellschaft.

Siehe auch: VDB fordert schnelle Hilfe für Unternehmen

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