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Die neue Normalität wird kommen

16.04.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es muss jetzt bald wieder losgehen. Ob man wirklich, wie gelegentlich gefordert, Schulen öffnen sollte, sei dahingestellt. Wer sich die hygienischen Zustände in vielen Schulen ansieht und darüber hinaus weiß, dass hier mehrere hundert oder gar über tausend Menschen für mehrere Stunden auf engstem Raum unterwegs sind, der wird sicher gewisse Zweifel haben. Kinder und Jugendliche halten sich zudem oft nicht an die Abstandsgebote. Es sind halt Kinder.

Trotzdem müssen die Abschlussjahrgänge ihre Prüfungen und Klausuren ablegen. Möglicherweise wird sich die Arbeitswelt dauerhaft ändern. In den letzten Wochen haben viele Menschen gemerkt, dass man gar nicht zweimal die Woche von Berlin nach München, Frankfurt nach Düsseldorf oder von Hamburg nach Stuttgart muss – ob mit dem Zug oder dem Flugzeug. Vieles lässt sich durch Programme wie Microsoft Teams oder Google Hangout mit viel weniger Aufwand durchziehen.

Dennoch wird das Fahrgastaufkommen sehr schnell wieder steigen, wenn das öffentliche Leben einigermaßen wieder angefahren wird. Dabei kann es für die Organisationsfragen zunächst auch egal, ob das Fahrgastaufkommen des Jahres 2019 schon 2021 oder erst später wieder erreicht wird. Es wird sehr schnell wieder nach oben gehen und darauf muss man sich sukzessive vorbereiten.

Die Dienstpläne müssen angepasst werden und bei vielen Arbeitnehmern mit Kindern stellt sich die Frage nach den Betreuungsmöglichkeiten. Großeltern fallen wahrscheinlich in den meisten Fällen aus, weil diese in der Regel zur Risikogruppe gehören. Kinder im Vor- oder Grundschulalter kann man aber nicht so ohne Weiteres alleine zuhause lassen.

Entsprechend wird es also Mitarbeiter geben, die nicht so einfach aus der Kurzarbeit oder dem Überstundenabbau zurückkehren können. Überhaupt kann man wohl davon ausgehen, dass es nicht wenige Verkehrsunternehmen gibt, die gerade nicht auf Kurzarbeit angewiesen sind, sondern die die Situation nutzen, um endlich von den Überstunden runterzukommen, die sich teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten angesammelt haben.

Dabei sollte es doch möglich sein, vielleicht für Fahrscheinkontrollen oder Begleitdienste im Moment verstärkt Studenten oder Mitarbeiter der Gastronomie anzuwerben. In vielen Städten gibt es zudem immer schon studentische Aushilfen, die zwei halbe Tage die Woche Straßenbahn fahren. Solche Leute könnten womöglich für einige Wochen oder Monate ihre Arbeitszeit deutlich erhöhen. Und warum sollte nicht jemand, der bislang in einem vielleicht bald schließenden Restaurant arbeitet, dauerhaft in die Eisenbahn- oder ÖPNV-Branche wechseln?

Es wird ein Unternehmenssterben geben. Das Bier, das seit Mitte März in der Kneipe nicht mehr verkauft werden konnte, wird nicht „nachgeholt“, die Umsätze fehlen und manch einer wird es nicht überstehen. Doch auch hier: Die Eisenbahnbranche hat den konjunkturellen Abschwung ohnehin fest einkalkuliert in der mittelfristigen Personalplanung. Es ist halt alles nur ein klein wenig verrückter als sonst.

Siehe auch: Branche bereit für Corona-Neustart

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