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Die Chancen für die Verkehrsverlagerung nutzen

16.03.20 (Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld

So eine Tarifstrukturreform bringt naturgemäß Veränderungen mit sich und viele Stammkunden zeigen sich in den ersten Wochen und Tagen irritiert, ist doch das über Jahre oder gar Jahrzehnte gewohnte plötzlich „ohne Not“ verschwunden. Die Realität ist, wenn man einen etwas höheren Blickwinkel betrachtet, eine andere: Gerade der Münchener Verbundtarif, so „gerecht“ er gewesen sein mag, war aufgrund seiner massive Komplexität niemandem mehr zu vermitteln.

Sehr wahrscheinlich wäre eine solche Tarifstruktur heute auch nicht mehr mehrheitsfähig. Deshalb muss man hin und wieder ins kalte Wasser springen oder in den sauren Apfel beißen und eine solche Veränderung durchziehen. Dabei ist eine Sache wichtig: In der Zukunft werden die Fahrgäste, die sich am Fahrscheinautomaten ihr Ticket ziehen, immer weniger. Die Zahl derer, die sich per Smartphone einloggen, wird indes höher.

Die Digitalisierung schlägt auch in der Eisenbahn und im ÖPNV zu, sodass ein Großteil der Fahrpreisberechnung im Hintergrund durch den Kollegen Computer gemacht wird. Hier wird der Zugang also deutlich einfacher. Im nächsten Schritt wäre der MVV daher dazu aufgerufen, gemeinsame Schnittstellen zu entwickeln, dass man vielleicht auch in der HVV- oder VBB-App den MVV-Tarif nutzen kann.

Für solche Überlegungen wäre tatsächlich der VDV die richtige Organisation, um bundesweit eine einheitliche Software zu schaffen, die hinter den verschiedenen Apps steckt oder aber zumindest deren Hintergrund-Zusammenarbeit organisiert, ohne dass der Nutzer selbst sich Gedanken drüber machen muss. Denn natürlich sind fehlende Kenntnisse in einem dem Laien völlig abstrus erscheinenden Tarifsystem für viele Nichtnutzer eine effektive Zugangsbarriere.

Die Menschen lassen dann den Zug Zug sein und fahren mit dem Auto an ihr Ziel. Politisch muss man aber dafür sorgen, dass die Menschen effektiv umsteigen, Busse und Bahnen sollen also nicht nur, wie bislang, das wachsende Gesamtverkehrsaufkommen mit abbilden, sondern sie sollen stärker als der Markt wachsen, was bislang immer gescheitert ist. Das muss sich ändern und hier ist die Digitalisierung eine Chance, die man nutzen sollte.

Denn gerade in München sind es viele Gäste, die mit Bussen und Bahnen unterwegs sind: Die ihre MVV-Tageskarten ohnehin im Hotel kaufen und auf einmal positiv überrascht sein könnten, dass die fahrtenscharfe Berechnung über den Mobilfunkanbieter doch deutlich geringer ist, als es das bislang war. So jemand gibt dem Verkehrsverbund zuhause vielleicht auch eher eine Chance.

Gleichzeitig kann man es womöglich schaffen, Berufspendler, die nicht in München wohnen, künftig dazu zu bringen, mit Bussen und Bahnen zu fahren statt sich dem ewigen Dauerstau auszusetzen. In jedem Fall ist, und das habe ich ja an dieser Stelle vor einigen Wochen ähnlich über Stuttgart geschrieben, eine Chance vorhanden, die man nutzen sollte. Denn alle Versuche, den Individualverkehr zu schikanieren, sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder gescheitert.

Siehe auch: Zwölf Wochen neue MVV-Tarifstruktur

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