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Ob die Realität da mitspielt?

24.02.20 (Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld

Da wollen die doch allen Ernstes den gesamten Busverkehr in der bajuwarischen Landeshauptstadt München von konventioneller Traktion auf Elektroantrieb umstellen. Wer hier regelmäßig liest, der wird sich denken können, dass ich da erhebliche Zweifel habe. Interessant wäre, wenn die MVG oder die Stadtwerke München einmal Zahlen nennen würden: Welche nächtliche Netzspannung wird benötigt, um alle Busse gleichzeitig aufzuladen?

Sind die Münchener Kraftwerke in der Lage, diese elektrische Leistung konstant zu liefern? Wie soll das funktionieren, wenn in einigen Jahren der verbliebene Teil des Kernkraftwerkes Isar abgeschaltet wird, an dem die Stadtwerke München zu 25 Prozent beteiligt sind? Wie reagiert man während des laufenden Betriebstages auf mögliche Pannen bei Elektrobussen, weil die Batterien auf einmal leer sind? Viele Busfahrer können davon genau das Lied singen, das von den offiziellen Branchenverlautbarungen lieber nicht so gerne publiziert wird.

Wenn man aber nun keine Ersatzfahrzeuge in konventioneller Dieseltraktion mehr hat, muss man dann im Nachmitttagsbereich mit massenhaften Fahrtausfällen rechnen? Gibt es Zwischenladestationen und wie hoch ist die Zahl der Busse, die regelmäßig zwischendurch aufgeladen werden müssen? Verlängern sich womöglich Standzeiten, weil man an den Endhaltestellen immer wieder nachladen muss?

Sind deshalb zusätzliche Umläufe notwendig? Und das gerade, wo man in München stolz wie Oskar ist, dass man durch Busbeschleunigungen und Ampelvorrangschaltungen die Zahl der benötigten Fahrzeuge erheblich reduzieren konnte. Das hat auch zur Finanzierung der Angebotsoffensive 2010-2020 beigetragen, in der es jedes Jahr verlässliche Leistungsausweitungen gegeben hat.

Steht durch den Umstieg auf elektrische Traktion zu befürchten, dass im neuen Jahrzehnt die wirtschaftliche Grundlage für die deutlichen Verbesserungen im alten Jahrzehnt wegfallen? Das sind alles Fragen, die sich naturgemäß stellen müssen, wenn man sich ein wenig mit der Betriebsrealität von Linienbussen in elektrischer Traktion beschäftigt. Wir wollen doch, dass Menschen vom Individuaverkehr auf Bus und Bahn umsteigen, aber da muss man ein qualitativ und quantitativ hochwertiges Angebot haben, um mithalten zu können.

Dazu gehört auch eine hohe Zuverlässigkeit. Wie hoch ist überhaupt der Anteil von Dieselbussen am urbanen Schadstoffausstoß? Kann man überhaupt nennenswert zur Verbesserung der Luftqualität beitragen, selbst wenn alle Dieselbusse am Tag X durch ebenso wirtschaftliche wie zuverlässige Elektrobusse ersetzt würden?

Welche Emissionen würden mit der Erzeugung der zusätzlich benötigten elektrischen Energie einhergehen? Ist das ohne Kernkraftwerke und ohne konventionelle Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen überhaupt realisierbar? Und die wichtigste Frage: Hat man sich in München mit all den vorgenannten Fragestellen jemals seriös und wissenschaftlich beschäftigt? Und falls ja: Wer? Die normative Kraft der Physik ist im Zweifel stärker als der politische Wille.

Siehe auch: MVG: Richtfest für Hybrid.M in Moosach

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