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Grundständige Probleme lösen statt E-Luftschloss

10.02.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Sehen Sie sich die Rhetorik und die Argumente der Befürworter von Elektrobussen einmal genauer an: Im Wesentlichen braucht man mehr Fördergelder und dann wartet man, dass die Busse besser und damit marktfähig werden. Aber wie lange müssen wir jetzt auf diese Marktfähigkeit warten? Im konventionellen Dieselbereich geht die Technik weiter und die Reichweite ist da selbst im Winter stets groß genug.

250 Kilometer Reichweite und bald 300? Was ist, wenn man im Winter zwei Wochen Dauerfrost hat? Kommt man dann immer noch auch in den Nachmittag- und Abendstunden mit dem Elektrobus den Berg hoch und das in der gleichen Geschwindigkeit, in der es ein Dieselbus schafft? Ich würde den VDV-Funktionären, die solche Dinge beschwören, einmal dringend das eine oder andere Gespräch mit den eigenen Busfahrern empfehlen.

Wie ist es denn, wenn man bergauf über die Landstraße statt mit siebzig nur mit dreißig Kilometern pro Stunde hochkommt und der Elektrobus dann verlässlich seine Verspätung hat? Sie meinen, es gäbe solche Fälle nicht? Es gibt sie zuhauf und man erfährt sie, wenn man in den Unternehmen nicht nur das Gespräch mit den Pressestellen sucht, sondern auch mit Mitarbeitern, die aus ihrem Berufsalltag erzählen.

Und dann ist die Frage: Wo tanken die? Einen konventionellen Dieselbus kann man mal eben an eine Zapfsäule fahren, aber wie sieht das mit einem Elektrobus aus? Wie darf man sich die Anforderungen an das Elektrizitätsnetz vorstellen, wenn in vielen Städten auf einmal nachts mehrere hundert Elektrobusse gleichzeitig aufzuladen sind? Hierbei gilt zu beachten, dass so gut wie alle witterungsunabhängigen Kraftwerke in den kommenden Jahren abgeschaltet werden sollen.

Die sechs verbleibenden Kernkraftwerke stehen binnen weniger als zwei Jahren zur Abschaltung an und dann folgen die Kohlekraftwerke. Trotzdem sollen dann jede Nacht Elektrobusse an den Ladesäulen hängen? Ernsthaft? Ich sage was anderes: Was wir dieser Tage erleben, erinnert an den unreflektierten Hype zur Kernenergie in den 1960er und 1970er Jahren. Auch damals hat man unreflektiert auf eine vermeintliche Wundertechnologie gesetzt, auch damals haben Befürworter schon mit der CO2-Neutralität argumentiert.

Folgekosten und Risiken hat man auch: Brennende Elektrofahrzeuge sind kaum zu löschen. Was kostet später die Entsorgung der riesigen Batterien der Fahrzeuge und welche ökologische Belastung geht damit einher? Und wie seinerzeit bei der Kernenergie vertraut man heute blind darauf, dass man in einigen Jahren oder Jahrzehnten irgendeine Technologie haben wird, die man zwar jetzt noch nicht kennt, aber die dann sicher da sein wird.

Mit der Lebensrealität vieler Kunden – oder Nutzer, wie man es in der Branche zu nennen pflegt – ist dabei eine völlig andere. Wenn der Fahrgast nach 20 Uhr am Hauptbahnhof ankommt und nicht mehr vernünftig mit dem Bus nach Hause kommt, dann ist ihm egal, in welcher Traktion der fährt. Diese grundständigen Probleme sind deutlich wichtiger als E-Luftschlösser.

Siehe auch: VDV: Zwischenbilanz zu Elektrobussen

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