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Gratulation nach Stuttgart

20.02.20 (Kommentar, Stuttgart) Autor:Stefan Hennigfeld

Natürlich steigt das Fahrgastaufkommen in einer Metropolregion stärker als im bundesweiten Durchschnitt und auch der Modal Split ist höher, der am Montag hier Thema war. Wenn man es aber schafft, durch eine Tarifreform, um das zehnfache des Bundesdurchschnittes zu steigen, dann können die Verantwortlichen nicht alles falsch gemacht haben. Hierfür meine herzlich Gratulation ins Schwabenland.

Es funktioniert also scheinbar doch, wenn man den Menschen tariflich ein gutes Angebot macht, sie kommen dann. Vor allem, wenn man mit möglichst vielen Firmen Jobticket-Vereinbarungen schließt. Das ist für den Berufspendler dann deutlich einfacher als ein aktives Sich-Einarbeiten in die Tariflandschaft. Denn, so irrational das sein mag, für viele sind die oft längst nicht mehr so komplexen Tariflandschaften eine subjektive Zugangshürde.

Ideen, dass Verkehrsverbünde bundesweit ihre Tarifstrukturen angleichen und ähnliches sind zwar seit Jahrzehnten da, funktionieren aber in der Tradition bundesdeutscher Kleinstaaterei einfach nicht. Es gibt dafür aber zwei „Lösungsmöglichkeiten“, die man in den letzten Jahren erfolgreich geprobt hat: Zum einen mit mehr Digitalisierung. Menschen machen ihr Smartphone zum Fahrschein samt mobilem Verkaufsgerät.

Man tippt auf einen Knopf, dass man soeben ausgestiegen ist und die CiBo-Technologie macht sogar den Check-Out entbehrlich. Oder aber man spricht direkt mit den Firmen vor Ort, dass diese ihren Mitarbeitern Jobtickets anbieten statt teure Parkplätze vorzuhalten. Im Großraum Stuttgart scheint genau das zu funktionieren. Jenseits von großen Schlagworten wie „Machermodus“, „Mobilität 4.0“ (ich weiß immer noch nicht, was Mobilität 2 und 3 gewesen sein sollen) und anderem setzt man hier einfach mal was um – im Rahmen dessen, was möglich ist.

Wobei man natürlich auch hier etwas Wasser in den Wein schütten muss: Diverse Fahrverbote, die es in Stuttgart gegeben hat, haben natürlich auch zumindest mal eine Rolle gespielt. Manch einer, der nie einen Draht zu Bus und Bahn gehabt hätte, war auf einmal mehr oder weniger drauf angewiesen. Ein Erfolg ist, wenn die Menschen später wiederkommen, weil es um Längen besser war, als der ÖPNV im Klischee vieler Köpfe ist.

Manch einer hat seine Schulbuserfahrung aus Jugendzeiten in bester (oder gar nicht so guter) Erinnerung und war mit 18 froh, enlich selbst fahren zu dürfen. Doch man kann ganz objektiv, sachlich und nüchtern attestieren, dass sich in den letzten Jahrzehnten vieles sehr zum guten entwickelt hat. Das erkennt man auch daran, dass viele junge Erwachsene heute weniger mit dem Auto fahren als ihre Elterngeneration.

Die in den 1990er Jahren geborenen Menschen haben in ihrer Jugend deutlich bessere Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gemacht. Jetzt hat und nutzt man die Chance, echtes Kapital aus den Erfolgen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu schlagen. Das gilt in Stuttgart ebenso wie in vielen anderen Teilen der Republik. Denn vor Ort wird der Erfolg gemacht und nicht in einer Berliner Zentrale.

Siehe auch: VVS schreibt neuen Fahrgastrekord

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