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Mit hohen Zielen zu guten Ergebnissen

02.12.19 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die meinen das wirklich ernst: Bis zum Jahr 2030 sollen sich die Fahrgäste auf der Schiene verdoppelt haben. Das sind noch zehn Jahre und wenn man sich die Wachstumsraten der jüngeren Vergangenheit ansieht, dann hat man nicht den Eindruck, als könne es so werden. Aber man muss sich große Ziele setzen, auch wenn man sie am Ende nicht erreicht. Denn nur wer Träume und Visionen hat, wagt das unmögliche zu probieren.

Denn gucken wir uns neben den Fahrgastzahlen weitere Verbesserungen an, dann stellen wir fest, dass man viel erreicht hat. Um einige Beispiele zu nennen: Es ist erst wenige Jahre her, da bekam man Sparpreisfahrscheine nur mit mehreren Tagen Vorlauf. Übermorgen mal eben von Bochum nach Berlin? Nur im teuren Normalpreis. Hier hat auch der Fernbus und der damit einhergehende Marktdruck eine Rolle gespielt.

Es gab auf einmal neue Konkurrenz und so manch einer war weg und ist mit dem Bus gefahren. Hier hat man sich bei der Bahn ganz gezielt Gedanken gemacht, wie man die preissensitive Kundschaft anzieht, von der man in der Ära Mehdorn immer den Eindruck hatte, sie wäre unerwünscht. Überhaupt sind die alten Bodenhansa-Phantasien längst überwunden worden. Die Schiene hat ihre spezifischen Qualitäten bei Reiselängen von fünf bis vierhundert Kilometern.

Wer von Hamburg nach Mailand will, der mag sich im konkreten Einzelfall für den romantischen Nachtzug entscheiden und jedes existierende Angebot ist erfreulich, aber in der Regel dürfte das Flugzeug das Verkehrsmittel der Wahl sein. In der Realität ist aber dieses Flugzeug gar nicht der Hauptkonkurrent, sondern das Auto.

Klar kann ich von Düsseldorf nach Berlin fliegen oder mit dem Zug fahren, bei Fahrten aus Witten nach Köln, Bielefeld, Münster, Osnabrück oder Amsterdam ist das aber nicht so. Hier gilt es in den nächsten Jahren, gemeinsam mit den Vorteilen, die die Digitalisierung bringt, ein Tarifsystem zu schaffen, in dem es nicht nötig ist, ausgefuchst zu sein, um einen günstigen Fahrschein zu kriegen.

Das gilt gerade im Fernverkehr. Klar, so ein Verkehrsverbund kann sein Ding durchziehen und das Smartphone berechnet im Hintergrund den bestmöglichen Fahrpreis. Das ist im Fernverkehr so einfach nicht möglich, aber man muss gute Ideen sammeln und hinterher was draus machen. Man muss einen Kompromiss zwischen fairer Preisgestaltung, Auslastungssteuerung und Transparenz finden.

Das hat etwas von der Quadratur des Kreises, aber auch diesem Problem muss man sich stellen. Jetzt kann man argumentieren, dass Fluggesellschaften das aber auch nicht hätten. Stimmt, doch die Schiene will ja schließlich besser sein, oder etwa nicht?

Dazu gehört auch, dass man ohne viel Aufwand den optimalen Preis kriegt und dass man nicht, wie bei Eurowings, über Tage den Markt im Auge behalten muss, um irgendwann im vermeintlich besten Moment zuzuschlagen. Bahnfahren ist keine Wette. Eine Patentlösung habe ich auch nicht, aber ich glaube, dass das Vertrauen in das vorhandene Kreativitätspotential in der Branche groß genug ist.

Siehe auch: VCD veröffentlicht Bahntest 2019/2020

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