Neue Konkurrenz der Mobilitätsplattformen
15.08.19 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
In den letzten Jahren haben sich in den einzelnen Verkehrsmittelsegmenten Quasi-Monopole durchgesetzt: Deutsche Bahn im SPFV, Lufthansa bzw. deren Tochtergesellschaft Eurowings im Flugbereich, Flixbus bei Reisen mit dem Fernbus. Auch bei Mitfahrgelegenheiten ist dies der Fall. So ist das französische Startup BlaBlaCar als Mitfahrzentrale in mehr als 20 europäischen Ländern aktiv und damit das weltweit führende Unternehmen.
Das in 2006 gegründete Unternehmen erwirtschaftet nach eigenen Angaben weltweit rund 500 Millionen Euro Umsatz. Per Plattform werden Reisende mit und ohne Auto zusammengebracht, die ein gleiches Reiseziel haben und sich die Fahrtkosten teilen möchten. BlaBlaCar erhält dabei eine Provision. In 2018 übernahm BlaBlaCar das Fernbusgeschäft der französischen Staatsbahn SNCF mit Fokus auf den französischen Markt.
Die Fernbustochter mit dem Namen BlaBlaBus expandiert auch in Deutschland und bedient aktuell 25 Destinationen. Der neue Anbieter im Fernbus-Markt ist ein potenter Gegner für Flixbus (Marktanteil 95 %): „Das Unternehmen verfügt über eine ähnliche DNA wie Flixbus: Es ist ein Startup, verfügt über viel Liquidität dank potenter Finanzierer und ist extrem fokussiert. Mit einem Einführungsangebot von 99 Cent pro Fahrt setzt BlaBlaBus ein klares Zeichen“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer als Co-Autor der Studie Pricing Lab.
Beide Unternehmen verfügen bereits über effiziente Mobilitätsplattformen. So kennen über achtzig Prozent der Deutschen Flixbus. Flixbus.de ist zur zentralen Buchungsplattform geworden, nachdem sich die Zahl der Konkurrenten ab 2014 gegen Null entwickelte. Durch das Angebot Flixtrain vermarktet FlixMobility neben Bus- auch Bahnreisen über die eigene Plattform.
Auch BlaBlaCar hat in den letzten Jahren durch Übernahmen eine dominierende Marktposition in Deutschland erreicht. Laut eigenen Angaben sollen etwa sechs Millionen Menschen registriert sein. Allerdings geben in der Studie lediglich etwa drei Prozent der Verbraucher an, in den letzten zwölf Monaten eine Mitfahrzentrale genutzt zu haben (dies entspricht ca. 2-2,5 Millionen aktiven Nutzern).
Für Fernbusse werden demgegenüber sieben Prozent aktive Nutzer ausgewiesen. In der Zielgruppe der Fernbus-Nutzer werden Bahn und Fernbus im Vergleich zum Pkw relativ gut eingeschätzt. Hier erreicht der Fernlinienbus auf einer Skala von 0=nicht attraktiv bis 10=sehr attraktiv im Mittel einen Wert von 6,5 (Bahn 7,4; Pkw 7,2). Bezüglich des latenten Marktpotenzials bestehen für den Fernbus durchaus Wachstumschancen.
Gleichzeitig ergeben sich aber auch Anzeichen für eine Marktsättigung. Dies zeigt sich nicht nur bei einer Analyse der angebotenen Linien, sondern auch in der Verbraucherwahrnehmung. Nutzer von Fernbussen bewerten die Attraktivität zunehmend kritisch (acht Prozent sehen eine verbesserte Attraktivität, 17 Prozent eine Verschlechterung in den letzten zwölf Monaten).
Ob sich aus einer Ausdehnung des Mobilitätsangebots auf andere Verkehrsmittel eher Chancen oder Risiken ergeben, hängt in starkem Maße vom Marktanteil und der Überlappung der Nutzersegmente ab. So bestätigen die Studienergebnisse einerseits starke Substitutionseffekte zwischen Fernbus und Bahn (>80 Prozent der Nutzer von Fernlinienbussen sind auch Bahn-Nutzer), anderseits aber auch zwischen Fernlinienbussen und Mitfahrgelegenheiten: Von allen Nutzern des Fernbusses (sieben Prozent) sind 2,4 Prozentpunkte auch Nutzer von Mitfahrmöglichkeiten.
Die Nutzerprofile für Fernbus und Mitfahrzentrale weisen eine hohe Ähnlichkeit auf: Reisende mit hoher Bahnaffinität, überproportional jung und in größeren Orten lebend, gehobener Bildungsstand. Gleichzeitig sind damit auch wirtschaftliche Risiken verbunden, nämlich dann, wenn sich die Angebote gegenseitig kannibalisieren.
Was den Reisenden freut (die Preise für die Reise mit dem Fernlinienbus oder der Mitfahrzentrale liegen mit ca. 5-6 Cent pro km ähnlich hoch), schadet dann der Plattform. Allerdings dürften die Aktivitäten von BlaBlaCar und FlixMobility durch langfristige Ziele getrieben sein. Es geht um nicht weniger als die führende übergreifende Mobilitätsplattform.
Daher dauert es nur wenige Wochen, bis FlixMobility eine Antwort auf BlaBlaBus parat hatte. Im Rahmen einer weiteren Finanzierungsrunde wurde verkündet, man mache im nächsten Jahr BlaBlaCar mit einem eigenen Angebot (FlixCar) Konkurrenz. Hier ist also noch offen, wer die marktbeherrschende Stellung einnehmen wird.
Siehe auch: Mobilitätsverfügbarkeit mit dem Fernbus sichern