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Debatte um Umsatzsteuer-Befreiung

05.08.19 (Fernverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Am vorvergangenen Wochenende hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Welt am Sonntag gefordert, den Umsatzsteuersatz auf Eisenbahnfahrscheine auf Null Prozent zu senken. Derzeit werden für Fernverkehrsfahrscheine der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 Prozent erhoben, im Regionalverkehr sind es sieben Prozent. Hierbei gelten stark veraltete Definitionen aus der Zeit der Behördenbahn: Ab fünfzig Kilometer Reiselänge beträgt der Umsatzsteuersatz 19 Prozent.

Eine Fahrt mit der S 6 von Essen nach Köln wäre demnach Fernverkehr. Für Inlandslüge gilt der voll Umsatzsteuersatz, sobald allerdings ein ausländischer Flughafen angeflogen wird, etwa für die Strecke Amsterdam-Berlin oder Düsseldorf-Zürich, entfällt die Umsatzsteuer. Söder: „Ich will den Menschen nicht vorschreiben, ob sie fliegen oder mit dem Zug fahren sollten. Aber ich will das Bahnfahren so attraktiv machen, dass sie das Flugzeug bei Kurzstrecken nicht mehr benutzen müssen.“

Passend dazu hat die Allianz pro Schiene in den sozialen Netzwerken vor einiger Zeit die Hashtags #Flugscham und #Zugstolz eingeführt. Etwas ernsthafter beschäftigt sich der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) mit der Angelegenheit. Dort unterstützt man Söders Forderung. Gleichzeitig spricht man sich dafür aus, eine Umsatzsteuer auch auf grenzüberschreitende Flüge zu erheben, um zwischen dem SPFV und dem Flugzeug Kostengerechtigkeit zu schaffen.

Bahnexperte Philipp Kosok: „Da zunehmend positive Signale aus der Bundespolitik kommen, die Mehrwertsteuer im Bahnverkehr zu senken, erwarte ich eine Umsetzung noch in diesem Jahr. Die Deutsche Bahn hat ankündigt, dass die Einsparungen den Fahrgästen zugutekommen sollen, deshalb können Bahnkunden sich vermutlich auf niedrigere Ticketpreise freuen. Die Bahnunternehmen wären aber gut beraten, einen Teil der gesparten Abgaben in zusätzliche Züge und Personal zu investieren. Das Angebot auf der Schiene muss deutlich ausgeweitet werden.

Die Deutsche Bahn selbst unterstützt die Forderungen aus Bayern. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender des Gesamtkonzerns: „Unsere Kunden würden von einer niedrigeren Mehrwertsteuer erheblich profitieren – sei es in Form neuer attraktiver Angebote oder reduzierter Ticketpreise. Auch eine Kombination aus beidem ist natürlich denkbar. Auf jeden Fall ist klar: Wir würden diesen Vorteil an unsere Fahrgäste weitergeben. Darüber hinaus würde eine solche Entscheidung zusätzlichen Spielraum für weitere Investitionen in unsere Fahrzeugflotte schaffen.“

Die Deutsche Bahn schätzt, dass ein reduzierter Mehrwertsteuersatz jährlich mindestens fünf Millionen zusätzliche Fahrgäste bringen würde. Nicht zuletzt rechnet die DB AG damit, dass auch Fluggäste auf die Bahn umsteigen würden. Neu ist der Vorstoß nicht. Bereits im April hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer – ein Parteifreund Söders – ähnliche Forderungen formuliert.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte an, diese Diskussion im Klimakabinett zu führen; vor der Sommerpause scheint das aber nicht passiert zu sein. Generell positiv äußerte sich bereits zuvor die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Diese sprach sich nach französischem Vorbild für eine nationale Luftverkehrsabgabe und eine Stärkung der Eisenbahn aus.

Alexander Kirchner, Bundesvorsitzender der EVG: „Als EVG begrüßen wir zwar die Ziele der Bundesregierung, den Schienenpersonenverkehr bis 2030 zu verdoppeln und den Schienengüterverkehr um siebzig Prozent steigern zu wollen – aber mit reinen Absichtserklärungen ist es nicht getan.“

Konkrete Forderungen kommen derweil aus dem Freistaat Sachsen. Landesverkehrsminister Martin Dulig (SPD) unterstützt die Forderung nach einem reduzierten Umsatzsteuersatz, das allein reicht ihm jedoch nicht. Die Bahn solle attraktiver werden. Hier sei es Sache der Bundesländer, konkrete Strategien für eine bessere Bahn auszuarbeiten.

Dulig: „Dafür brauchen wir auch entsprechende Anbindungen an unsere Nachbarländer. Die europäische Trasse Dresden – Prag haben wir in Sachsen geschafft, sie steht nun im Bundesverkehrswegeplan ganz oben. Aber allein über die wichtige internationale Bahn-Verbindung von Sachsen nach Polen debattieren wir bereits seit Jahren mit dem Bund. Nach Österreich, ins Baltikum, nach Frankreich oder in die Schweiz kommen wir nur über extreme Umwege. Der Freistaat liegt aber in der Mitte Europas. Die Bahn muss endlich wieder in einen echten internationalen Bahnverkehr einsteigen.“

Siehe auch: Von #Flugscham allein kommt kein Deutschlandtakt

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