Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

VDV gegen 365-Euro-Ticket

24.06.19 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) lehnt Forderungen nach einem 365 Euro teuren Jahresticket, wie es das etwa in Wien gibt, vollständig ab. Weder für einen Nulltarif noch für stark verbilligte Angebote gäbe es eine wirtschaftliche Grundlage. Zudem sei der Fahrpreis nicht das entscheidende Kriterium für den Umstieg auf Bus und Bahn.

„Ein gutes ÖPNV-Angebot muss entsprechend finanziert werden. Moderne Fahrzeuge und Infrastrukturen, ausreichende Kapazitäten und gutes Personal kann man von einem 365-Euro-Jahresticket nicht bezahlen. Das funktioniert nirgendwo auf der Welt ohne entsprechende Gegenfinanzierung“, so Verbandspräsdennt Ingo Wortmann.

Wortmann verwies dabei auch auf das Angebot in Wien: Die Stadt Wien gibt jährlich rund 400 Millionen Euro für den dortigen Nahverkehr aus. Die Kommunen und Länder, die momentan intensiv über eine solche Preisgestaltung nachdenken, sind also gut beraten, intensiv zu prüfen, ob und wie sie so ein Modell dauerhaft finanzieren können. Ein 365-Euro-Ticket kann bei stetig wachsendem ÖPNV-Angebot für die Städte und Länder richtig teuer werden.“

Anlass für Wortmanns Aussagen sind die im Rahmen der Konzepte zur Emissionsminderung im städtischen Verkehr vermehrt auftretenden Forderungen von 365-Euro-Ticketmodellen nach Wiener Vorbild. Aus Sicht des Verbandes werden diese Konzepte jedoch bislang nicht ganzheitlich betrachtet und geplant.

„Man macht den dritten Schritt vor dem ersten, wenn man zunächst die Ticketpreise drastisch reduziert bevor man die nötigen Voraussetzungen für einen attraktiven Nahverkehr vor Ort geschaffen hat. Erst muss die Infrastruktur ausgebaut und modernisiert werden, dann müssen über zusätzliche Fahrzeuge und qualifizierte Personale die Angebotskapazitäten erhöht werden, also dichtere Takte usw.“, so Wortmann.

Wortmann: „Zuletzt, wenn diese Maßnahmen erfolgreich umgesetzt wurden und das zur Verfügung stehende Bus- und Bahnangebot modern und attraktiv für möglichst alle Bürgerinnen und Bürger ist, kann man als weitere Maßnahme auch über die Reduzierung der Ticketpreise nachdenken. So hat Wien es gemacht und dieser Prozess hat dort etwa 20 Jahre gedauert. In Deutschland will man jetzt das Pferd von hinten aufzäumen, das halten wir für einen großen Fehler. Zumal der Fahrpreis gar nicht das entscheidende Argument für einen Umstieg ist.“

Die Markterlöse lagen im Jahr 2018 bei 12,95 Milliarden Euro. Das Geld investieren die Unternehmen wieder in den Ausbau, die Modernisierung und ins Personal. Wortmann: „Ein gutes und sich konstant weiterentwickelndes ÖPNV-Angebot ist in Deutschland ohne die wichtigste Finanzierungssäule der Ticketeinnahmen nicht mehr vorstellbar. Die Kundinnen und Kunden leisten durch ihren Ticketkauf einen wertvollen Beitrag für ein leistungsfähiges Gesamtsystem, das sie für ihren bezahlten Fahrpreis auch zurecht erwarten dürfen. Bei einem Preis von einem Euro am Tag würde dieses Prinzip von Leistung und Gegenleistung nicht mehr funktionieren.“

Kommentare sind geschlossen.