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Die Schiene stärken

27.05.19 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass Streckenreaktivierungen sehr erfolgreich sein können, ist jetzt nichts so doll neues. Schon lange gibt es die regelmäßig aktualisierte Publikation „Stadt, Land, Schiene“, in der die Allianz pro Schiene besondere Erfolge vermeldet: Strecken, die bereits vor der Schließung standen oder nicht mehr befahren worden sind, die heute zeigen, dass es möglich ist, effektiv Verkehrsleistungen auf die Schiene umzulenken.

Man braucht qualitativ hochwertige Fahrzeuge, einen verlässlichen Taktverkehr und vernünftige Reisezeiten – und dann schafft sich das Angebot seine Nachfrage. Es ist im Gegenteil nach wie vor erschreckend, was die alte Bundesbahn in (West-)Deutschland zwischen 1949 und 1994 für eine Kahlschlagspolitik betrieben hat. Die alte Bundesbahn war ein stilllegungswütiger Moloch, der abgeschafft werden musste, um die Schiene selbst zu retten.

Die Erfolge der Eisenbahnreform und der Regionalisierung zeigen, wie wichtig es war, die Eisenbahn wieder als ernsthaften Verkehrsträger zu betrachten, der eine Rolle spielen kann im Verkehr des 21. Jahrhunderts. Neu ist dabei, dass die Erkenntnis formuliert wird, dass Güter- und Personenverkehr gemeinsam betrachtet werden müssen. In Niedersachsen gibt es auch ein Reaktivierungsprogramm.

Auf Basis standardisierter Bewertungen werden Kosten und Nutzen gegeneinander aufgerechnet. Das Problem ist jedoch: Während stets mit den vollen Kosten gerechnet wird, lässt man den Nutzen außen vor, der auch auf reaktivierten Strecken durch (geringfügigen) Güterverkehr erzielt werden kann. Man stelle sich einmal vor, man könnte dreißig LKW-Fahrten pro Tag einsparen, weil zwei Güterzüge über eine eingleisige Strecke fahren, womöglich mit einer so leistungsfähigen Infrastruktur, dass die Fahrplanstabilität für den Personenverkehr nicht gefährdet wird.

Und gerade jetzt, wo man im Eisenbahnregulierungsgesetz sichergestellt hat, dass die Trassenpreise ins unendliche steigen und wo die Regionalisierungsgelder real erhöht werden, hat man auch die finanzielle Atemluft, auf reaktivierten Strecken den Betrieb zu finanzieren. Dazu kommen nicht unerhebliche Ausschreibungsersparnisse und steigende Fahrgastzahlen, die höhere Erträge generieren, die ihrerseits ebenfalls dazu beitragen, solche Projekte wirtschaftlicher zu gestalten.

Doch auch hier sollten wir nicht nur euphorisch sein: In den letzten Jahren musste man leider feststellen, dass die Eisenbahnbranche als solche nicht in der Lage ist, ihre Aufträge zu erfüllen. Bundesweit haben zahllose Unternehmen Personalprobleme und Züge fallen aus. Man sollte also auch immer diese Realität im Auge behalten.

Wenn man jetzt ein beliebiges Unternehmen fragen würde, ob man kurzfristig da und da einspringen kann, dürfte es zweifelhaft sein. Es gilt jetzt zumindest auch, sich auf ein weiter steigendes Marktvolumen bei einer anhaltenden Verrentungswelle vorzubereiten. Hier allerdings sind weniger die Verbände als viel mehr die Unternehmen selbst gefragt, Lösungen zu finden. Denn mehr Verkehr auf der Schiene ist nach wie vor das oberste Ziel!

Siehe auch: Verbände fordern Reaktivierungsprogramm

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