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Der elektrische Holzweg

18.04.19 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Viele Menschen denken ja, der Atomausstieg in Deutschland sei bereits vollzogen. Aber das stimmt nicht. Im letzten Jahr kamen durchschnittlich 13 Prozent des Energiebedarfs aus den verbliebenen Kernkraftwerken. Es wird eine Lücke geben, wenn diese in einigen Jahren wegfallen. Und die Kohlekommission hat nun klar und deutlich vorgeschlagen, dass nach dem Ausstieg aus der Kernenergie auch mit der Kohleverstromung im Land alsbald Schluss sein soll.

Und bei der Debatte um die Ostsee-Pipeline oder Flüssiggasimporte aus Amerika macht es auch nicht den Eindruck, als würde man zur Kompensation demnächst in der Lage sein, den Anteil des Stroms aus Gaskraftwerken stark zu erhöhen. Im Gegenteil: Wir sind heute schon in einer Situation, dass benachbarte Länder ihre Kraftwerke hoch- und herunterfahren müssen, weil man in Deutschland mal zu viel und mal zu wenig Strom im Netz hat.

Wir haben also erhebliche Probleme, die Versorgungssicherheit nach der Abschaltung zahlreicher Grundlastkraftwerke in den nächsten Jahren (und Jahrzehnten) aufrecht zu erhalten. Vor so einem Hintergrund ist es nicht nur utopisch, sondern völlig irrational zu glauben, dass wir die Verkehrstraktion innerhalb eines ebenso überschaubaren Zeitraums komplett elektrisch umbauen können.

Wo soll die ganze elektrische Energie denn herkommen? Wir laufen energiepolitisch ohnehin in eine Katastrophe, denn selbst wenn wir das Blackout-Szenario einmal außen vorlassen, so dürfte sich elektrische Energie erheblich verteuern. Zudem stellt sich die Frage, ob unsere Leitungsinfrastruktur überhaupt in der Lage ist, die zusätzlichen Spannungen aufzunehmen, die man braucht, um zahlreiche Elektroautos zu versorgen.

Klar gibt es die Narrative von Smart Grid und erst vor ein paar Wochen schrieb der Twitter-Account des Bundesumweltministeriums dem Verein Nuklearia e.V. in besonders patziger Art und Weise, dass es so etwas wie Grundlast künftig nicht mehr geben würde. Aber das zeigt allenfalls, dass die politischen Verantwortungsträger von der physikalischen Realität keine Ahnung haben.

Und dann stellt sich die Frage, warum der Verbrennungsmotor eine alte oder nicht mehr zeitgemäße Technik sein soll? Ja ist es denn moderner, Batterien herzustellen, die nach ein paar Jahren im Einsatz auf dem Sondermüll entsorgt werden müssen? Von den Bedingungen, unter denen diese produziert werden, ist dabei noch gar keine Rede.

Dann muss man sich eben irgendwann auch ehrlich machen und sagen: Wir brauchen die konventionelle Dieseltraktion und diese ist eben weder alt noch von gestern, sondern Teil der Lösung in der urbanen Mobilitätspolitik. Dieselbusse tragen zur Erhaltung der Luftqualität bei.

Zum einen, weil man Menschen mit deutlich weniger Schadstoffausstoß transportieren kann als mit dem Auto, zum anderen weil sich die Dieseltechnik rasant weiterentwickelt. Wir befinden uns hier auf einem elektrischen Holzweg. Aber gut, ich wäre unter Umständen gerne bereit, mich in zwanzig Jahren zu korrigieren – ich denke aber, ich liege richtig.

Siehe auch: 56 eCitaro für Wiesbaden

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