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Alles halb so wild

15.04.19 (go.Rheinland, Hessen, Kommentar, Nordrhein-Westfalen, NWL, Rheinland-Pfalz, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Was haben wir nicht vor einigen Jahren für Gruselszenarien hören müssen: Es entsteht ein Wirrwarr an Zuständigkeiten zwischen Herstellern, Aufgabenträgern, Verkehrsunternehmen und am Ende interessiert sich niemand mehr für die Leistung auf der Schiene. Die verschiedenen Akteure würden zudem wahrscheinlich gegeneinander arbeiten und wenn es Streit zwischen Verkehrsunternehmen und Instandhalter gibt, dann bleiben Züge auch schonmal für Wochen zur Beweissicherung auf dem Abstellgleis.

Heute wissen wir: Es klappt doch ganz gut. Die neuen Züge sind da und sie werden – wie einst die orange-weißen x-Wagen auf der S-Bahn – auf Jahrzehnte hinweg das Bild der Eisenbahn an Rhein, Wupper, Ruhr und Emscher prägen. Dass man es zudem mit den grundsätzlichen eisenbahnpolitischen Entscheidungen im Land geschafft hat, in einigen Jahren – wenn die Infrastruktur denn einmal ausreichend sein sollte – einen Viertelstundentakt zu finanzieren, ist ebenfalls als Erfolg zu verbuchen.

Und ja, das war lange Zeit ein Riesenthema. Immer wieder waren Leistungsausweitungen mangels Finanzierbarkeit geplatzt. Die neuen Verkehrsverträge sorgen allerdings dafür, dass die erheblichen Ausschreibungsersparnisse der letzten Jahre endlich liquiditätswirksam geworden sind. Die Aufgabenträger haben nicht nur höhere Regionalisierungsgelder als vor ein paar Jahren, sondern die Verkehrsverträge sind deutlich wirtschaftlicher.

Dadurch kann man das Angebot insgesamt verbessern. Der Umstieg von Netto- und Bruttoverträge sorgt zudem dafür, dass die Einnahmesteigerungen, die man höheren Fahrgastzahlen einhergehen, in die Kasse des Aufgabenträgers kommen. Dieser kann dadurch weitere Verbesserungen oder Investitionen finanzieren. Wenn man einen 15 Jahre laufenden Nettovertrag hat an dessen Ende sich die Markteinnahmen verdoppelt haben, steigt zwar der Gewinn des Betreibers, für die Allgemeinheit kommen diese Einnahmen aber nicht mehr zur Geltung.

Und auch die Narrative des Arbeitsplatzverlustes für gestandene Eisenbahner wurden widerlegt. Nein, es werden nicht massenhaft Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt oder müssen zu deutlich schlechteren Bedingungen den Arbeitgeber wechseln. Im Gegenteil: Der Wettbewerb auf der Schiene ist auch ein Wettbewerb um gutes Personal.

Viele Lokomotivführer, Zugbegleiter, Mechatroniker oder Ingenieure können sich heute schon aussuchen, bei welchem Unternehmen sie arbeiten möchten – und der Personalbedarf steigt. Im Gegenteil: Dadurch, dass wir jetzt wieder mehr Eisenbahnleistungen haben, sind auch mehr Menschen nötig, um die Züge fahren zu lassen.

Die Abbestellungen, die es nach dem Koch-Steinbrück-Papier ab 2007 gab, die haben Arbeitsplätze vernichtet. Mehr Verkehr ist auch die Grundlage für die mehr Beschäftigung. Im Grunde müssten die Gewerkschaften für eine besonders wirtschaftliche Mittelverwendung trommeln. Nordrhein-Westfalen hat vorgemacht, wie erfolgreicher Wettbewerb auf der Schiene funktioniert – und wie diese davon profitiert.

Siehe auch: Hundert Tage Rhein-Ruhr-Express

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