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Einen Gang zurückschalten

07.02.19 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

Natürlich hat National Express sich mit einer schriftlichen Betriebsanweisung, die mehr oder weniger direkt darauf zielt, Mitarbeiter von DB Regio anzuwerben, angreifbar gemacht. Solche Dinge sollte man zumindest nicht schriftlich festhalten und hier treffen wir auch schon den Kern der Sache: Selbstverständlich bedeutet eine marktwirtschaftliche Ordnung auf der Schiene auch, dass die verschiedenen Marktakteure in Konkurrenz um gutes Personal stehen.

Da gehört es dazu, dass man sich gegenseitig Leute abwirbt. Und seien wir ehrlich: Es ist gar nicht lange her, da hat man bei DB Regio nach jeder verlorenen Ausschreibung landauf und landab getönt, dass die Arbeitsplätze in Gefahr seien und dass nun massenhafte Versetzungen in weit entfernte Gebiete bevorstünden. Ein Wechsel zum neuen Betreiber würde regelmäßig erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringen, weil außer DB Regio kein einziger Akteur auskömmliche Löhne bezahle.

Wenn dem so ist, wie die Kommunikationsabteilung des Bahntowers es über Jahre direkt und indirekt in der Öffentlichkeit gestreut hat, dürfte DB Regio ja keine Probleme haben, die Leute zu behalten. Im Gegenteil, zahlreiche Mitarbeiter von Wettbewerbsbahnen wären dann ja dauerhaft versucht, einen der begehrten Arbeitsplätze im DB-Konzern zu kriegen. Ist dem etwa nicht so?

Offensichtlich sind auch National Express und Co. gute Arbeitgeber, die unter Umständen auch für langjährige Mitarbeiter des Branchenprimus eine interessante berufliche Alternative darstellen. Und hat im Gegenteil nicht die DB AG in der Vergangenheit Forderungen unterstützt, wonach der neue Betreiber alle Mitarbeiter übernehmen muss, die der Altbetreiber dem Vergabeobjekt zuordnet?

Da muss es doch im Konzerninteresse sein, wenn die neuen Betreiber das bisherige Personal ansprechen und einen Wechsel anbieten. Denn die Lebensrealität ist ja längst eine andere, die mit dem Narrativ der kapitalistischen Privatbahnen, die bei jeder Ausschreibung hunderte von Eisenbahnerfamilien zerstören, überhaupt nichts mehr zu tun hat.

Dabei kann ein Wechsel je nach Situation attraktiv sein oder nicht. Und so ein Wechsel kann sich auch in den laufenden Verkehrsverträgen ergeben: Manch einer hat vielleicht keine Lust mehr, nach zehn Jahren von Hagen nach Siegen zu fahren und möchte einfach mal nach Düsseldorf oder Köln fahren – und wechselt von Abellio zu National Express oder umgekehrt. Jemand anders findet sein privates Glück an einem anderen Ort und zieht mit Sack und Pack zur neuen Liebe – und orientiert sich dort beruflich neu, denn gerade Lokomotivführer werden nicht nur regional, sondern bundesweit gesucht.

Entsprechend sollten jetzt alle mal einen Gang zurückschalten und die Sache etwas sportlicher sehen. Denn parallel zum Wettbewerb untereinander gibt es noch den Wettbewerb mit anderen Branchen um gute Mitarbeiter. Wer bei Opel in Bochum war, der kann Lokomotivführer werden, der kann sich aber auch bei Daimler-Benz in Düsseldorf oder bei Ford in Köln bewerben. Deshalb: Lustige Aktion, aber jetzt geht‘s weiter!

Siehe auch: Streit zwischen DB Regio NRW und National Express

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