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Schleswig-Holstein: Diskussion über Personalmangel

07.01.19 (Schleswig-Holstein) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Zuverlässigkeit des Regionalverkehrs in Schleswig-Holstein hat im Kalenderjahr 2018 einen neuen Negativrekord aufgestellt. Noch nie fielen so viele Züge aus oder waren verspätet unterwegs. Neben der Verbindung nach Sylt betraf dies insbesondere auch Relationen von Kiel nach Hamburg bzw. Flensburg: Zugausfälle, Verspätungen und viele andere Probleme, die für Pendler erst unangenehm sind und sie dann zum Auto treiben.

Andreas Tietze (Bündnis90/Die Grünen), Vorsitzender des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses im Kieler Landtag, hat an Silvester mit einer besonderen Forderung für eine neue Debatte gesorgt. In der Tageszeitung Kieler Nachrichten schlug er vor, dass die schwarz-grün-gelbe Landesregierung („Jamaika“) selbst einen Pool mit Lokomotivführern aufbauen solle. Diese wären direkte Angestellte des Landes und würden, je nach Dringlichkeit, den verschiedenen Eisenbahnunternehmen zugewiesen.

Tietze nannte auch ein Organisationsvorbild: Es gibt in Schleswig-Holstein eine sogenannte „Lehrerfeuerwehr“. Das sind Lehrer, die zwar grundsätzlich im Landesdienst tätig sind (ob als Beamte oder Angestellte), jedoch keiner speziellen Schule zugewiesen werden. Diese Lehrer werden kurzfristig immer dort eingesetzt, wo überdurchschnittlich viel Unterricht ausfällt.

Bernhard Wewers, Geschäftsführer des landesweit zuständigen Aufgabenträgers Nah.SH, hat sich dieser Forderung in der gleichen Zeitung allerdings nicht anschließen wollen. Wewers: „Das ist der übliche Ruf nach Hilfe des Landes, wenn irgendwas nicht funktioniert.“ Dies klinge zudem „einfacher, als es sei.

Ein ausgebildeter Mathematik- und Deutschlehrer kann an jeder Schule gleichermaßen unterrichten. Wewers wies darauf hin, dass ein Triebfahrzeugführer für jede Baureihe eine spezielle Qualifikation braucht und dann auch Streckenkunde erwerben muss – und zwar überall, wo er fährt. Ein Lokomotivführerschein allein reicht also längst nicht aus. Zumal die Qualifikationen auch verfallen können, wenn nicht eine Mindestanzahl an Stunden im Jahr gefahren worden ist.

Dabei ist die DB AG das Hauptsorgenkind zwischen den Meeren: Sowohl DB Regio als auch die Infrastrukturgesellschaften haben Probleme. Wewers: „Wir haben in den Verkehrsverträgen diverse Sanktionsmöglichkeiten, die wir auch alle nutzen. Aber momentan sind die Probleme bei der Infrastruktur, bei den Fahrzeugen, beim Personal offenbar so groß, dass es eben keine Frage mehr von Strafzahlungen oder fehlendem Willen ist. Es geht mehr um andere Strukturen.“

In diesem Zusammenhang hat Wewers einen Vorschlag ins Spiel gebracht, der in dieser Form neu ist: „Vielleicht muss man auch einmal ganz neu denken. Zum Beispiel könnte die DB ihre Regio-Töchter verkaufen und sich vor allem auf die Infrastruktur und den eigenwirtschaftlichen Fern- und Güterverkehr konzentrieren. Ich bin gespannt auf die Vorschläge aus dem Konzern selbst, die Minister Scheuer nun eingefordert hat.“

Allerdings: Die Konzernstruktur stand – insbesondere in Bezug auf die Inlandsaktivitäten der DB AG – nie zur Disposition. Allerdings hat DB Regio im Norden der Republik noch immer einen außerordentlich hohen Marktanteil. Das bedeutet, dass eine Krise dort stets die gesamte Eisenbahn trifft.

Ob sich das bei künftigen Ausschreibungen ändern wird, bleibt derzeit noch abzuwarten. In diese Richtung hat in Kiel bislang niemand (laut) interveniert. Dabei zeigen andere Bundesländer, dass Wettbewerbsbahnen in der Gegenwart längst in der Lage sind, langlaufende RE-Leistungen in elektrischer Traktion zu fahren. Die Zeiten, dass die Wettbewerber auf der Schiene ausschließlich dort im wahrsten Sinne des Wortes zum Zuge kommen, wo kaum was los ist, sind vorbei.

Andreas Tietze indes hält an einem Modell der Einsatzreserve für Lokomotivführer fest. Seine Idee: Fünf bis zehn Leute werden fest bei der Nah.SH oder auf andere Art und Weise Angestellte des Landes. Finanziert werden deren Gehälter aus den Pönalen, die für Zugausfälle oder Schlechtleistungen fällig werden. Ähnlich wie bei privaten Personalüberlassungsdienstleistern müssten die Unternehmen dann für die Überlassung der Mitarbeiter bezahlen – und zwar deutlich mehr, als man es am freien Markt tun müsste.

Aller Bedenken zum Trotz kündigte Tietze an, er werde für eine Machbarkeitsstudie werben. Dass es Veränderungen geben muss, sieht auch Bernhard Wewers: „Die Bahn ist besser als ihr Ruf. Aber nach diesen zwei Jahren kann es so nicht weitergehen. Bahnfahren muss wieder Spaß machen.“

Siehe auch: Vernünftig Personal suchen

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