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NEE zu 25 Jahre Eisenbahnreform

06.12.18 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Vor 25 Jahren, am 2. Dezember 1993, hat der Bundestag mit 13 Gegenstimmen die erste verbindliche Entscheidung zur Eisenbahnreform getroffen. Das Grundgesetz wurde geändert. Diese Zustimmung des Parlaments und später des Bundesrates sowie zahlreiche Einzelgesetze sorgten dafür, dass am 1. Januar 1994 der Umbau der Staatsbehörde Bundesbahn und der alten Reichsbahn der DDR zu einem Unternehmen, die Öffnung des Eisenbahnmarktes für Dritte und die 1996 erfolgende Übergabe der Verantwortung für den Personennahverkehr an die Bundesländer gestartet werden konnte.

Kleine Notiz am Rande: Einer der 13 Abgeordneten, die damals gegen die Eisenbahnreform gestimmt haben, war Manfred Schell, von 1989 bis 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und in dieser Zeit Bundestagsabgeordneter der CDU. 25 Jahre später steht nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, Ludolf Kerkeling, „die Politik ratlos vor dem Befund, dass der staatliche DB-Konzern anhaltend die Negativschlagzeilen beherrscht: Verspätungen, Qualitätsmängel, Verschuldung, unklare Strategie“.

Erzielte Erfolge gerieten dadurch in den Hintergrund – etwa die erfolgreiche Metamorphose des Schienenpersonennahverkehrs oder der Leistungszuwachs im Güterverkehr als Folge des funktionierenden Wettbewerbs. Ein Vierteljahrhundert nach Beginn der Bahnreform zeigt sich für Kerkeling, dass die Politik seinerzeit zu kurz gesprungen und die DB AG heute überfordert sei: „Damals stand der Bundesbahn ökonomisch das Wasser bis Oberkante Unterlippe. Obwohl die Bahnreform euphorisch und wohlklingend mit mehr Service, Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und Umweltargumenten bemäntelt wurde, ging es der Politik in erster Linie darum, ein immenses Haushaltsrisiko in den Griff zu bekommen.“

Die Ursachen der Schienenschwindsucht interessierten leider weniger als das vermeintliche Wundermittel, nämlich die Gründung mehrerer privatrechtlich organisierter, aber dennoch starken politischen Einflüssen ausgesetzter bundeseigener Unternehmen. Sinnvoll ist die beschworene unternehmerische Organisation des Eisenbahn-Verkehrsmarktes und die Beibehaltung staatlicher Verantwortung für die Infrastruktur allemal gewesen. Ohne Blick auf die Rahmenbedingungen des gesamten Verkehrsmarktes konnte mit Selbstheilungskräften des Schienensektors alleine jedoch keine Verkehrswende entstehen.

Schon in der Debatte am 2. Dezember 1993 äußerte der Verhandlungsführer der Bundesländer, der seinerzeitige hessische Ministerpräsident und spätere Bundesfinanzminister, Hans Eichel (SPD) Zweifel: „Aber, meine Damen und Herren, den Verkehrsmarkt und die Chancen am Verkehrsmarkt bestimmt noch weitgehend der Bund, und es gibt eine Reihe Länderchefs, die die Vermutung oder die Ängste haben, dass der Bund dann eine Verkehrspolitik macht, bei der er, da er für den Fernverkehr auf der Schiene zuständig bleibt, diesen begünstigt, dass er im übrigen eine Verkehrspolitik macht, die weiter die Straße begünstigt.“

Kerkeling rät zum Jahrestag, die Abwärtsspirale zu durchbrechen statt weiter zuzusehen. Kerkeling: „Ohne Schiene geht es nicht – weder logistisch noch ökologisch. Also sollte sich der Bund in seinem angekündigten „Masterplan Schiene“ ehrlich machen und sein Zielbild von mehr Schienenverkehr klar mit Maßnahmen unterlegen. Er wird sagen müssen, welche Rahmenbedingungen in der Verkehrs- und Eisenbahnpolitik zur Entlastung von Straßen und Umwelt gebraucht werden. Ich denke, nur eine wettbewerbsorientierte Mischung aus dem Abbau unfairer Wettbewerbsbedingungen, Innovationen und Reorganisation kann helfen.“

Die vom Netzwerk in diesem Zusammenhang geforderte „Bahnreform II“ müsse zugleich an den unweigerlich monopolistisch arbeitenden Infrastrukturen (Netz, Bahnhöfe und Bahnstromnetz) ansetzen. Künftig müssten diese – wie auch bei den anderen Verkehrsträgern – gewinnfrei und deutlich stärker kunden- und wachstumsorientiert betrieben werden.

Daneben müsse zwar vielleicht nicht der Konzern aufgeteilt, aber die bevorzugte Behandlung der DB-Transportgesellschaften bei Informationen, Finanzierungsmöglichkeiten und Koordination beendet werden. Schließlich müssten die staatliche und systeminterne Regelungsdichte des Systems überprüft und der Betrieb – ohne Rabatt bei der Sicherheit – vereinfacht sowie Routineprozesse automatisiert werden.

Siehe auch: Ein Vierteljahrhundert Schienenrettung

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