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Menschen überzeugen

03.12.18 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Ja, es sind die Kommunen: Die Kreise und kreisfreien Städte, die Bezirksverordneten, die Ratsherren, Bürgermeister und Kreistagsabgeordneten, die die Mobilitätswende vor Ort mit Leben füllen müssen. Auch wenn ich an dieser Stelle immer wieder fordere, dass es eine Möglichkeit geben soll, die Aufgabenträger mit einem Durchgriffsrecht bei schlechten Angebotsplanungen auszustatten, aber am Ende müssen die vielen Dinge, die immer wieder diskutiert werden, vor Ort und freiwillig geregelt werden.

Es sind die Stadtwerke und andere Verkehrsbetriebe, die ins Bikesharing eintreten müssen und die Kooperationsvereinbarungen mit den Anbieter von Carsharingdiensten aushandeln müssen. Denn um solche Dinge geht es, wenn man es im urbanen Raum schaffen will, das Leben ohne (eigenes) Auto zu ermöglichen. Niemand möchte seine Getränkekästen oder Einkäufe mit dem Bus transportieren und diese sind dafür auch gar nicht gemacht.

Aber wer nur hin und wieder mal ein Auto braucht und das mit einem Monatsticket auch noch verbilligt bekommt, der ist schneller dabei, mal eben ein Carsharing-Auto zu nehmen und irgendwann zu sagen, dass sich das eigene Fahrzeug eben doch nicht lohnt. Aber geht das? Es kommt drauf an. Nicht jeder hat klassische Arbeitszeiten von neun Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags.

Es gibt Schicht- und Wechseldienste und manch einer, der am Sonntag zur Frühschicht muss, der ist drauf angewiesen, dass sein Bus auch dann fährt – oder er muss sowieso ein Auto vorhalten und dann lohnt sich der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel sowieso nicht mehr. Und wer mit dem Bus zum Bahnhof und dann weiterfährt, der ist drauf angewiesen, dass der Anschluss zuverlässig ist, aber nicht zulange dauert.

Wenn der Zug dreimal vor der Nase weggefahren ist, dann ist man schnell versucht, künftig mit dem Auto zum Bahnhof zu fahren und wer das einmal macht, der fährt in der Regel auch gleich durch bis zur Arbeit. Und das ist nicht mal Bequemlichkeit, sondern verständlich. Wir müssen uns klarmachen: Die allermeisten Menschen, die zu Bus und Bahn gebracht werden sollen, haben ihre Verkehrsalternative mit den vier Gummireifen in der Garage stehen.

Wir wollen doch Menschen zum Umstieg bringen, oder? Es ist zu hoffen, denn die neudeutsch captive rider genannten Muss-Fahrgäste lassen sich ohnehin zwangsweise fast alles gefallen. Die vielen A: Alte, Arme, Arbeitslose und Auszubildende. Doch auch die werden weniger: Die Zeiten, dass die siebzigjährige Witwe auf den ÖPNV angewiesen ist sind vorbei, die haben immer öfter ein Auto und einen Führerschein.

Im Jahr 2030 wird auch die Generation siebzig Plus, also die Menschen, die heute als Silversurfer im Internet unterwegs sind, mit der Smartphone-App ein Carsharing-Auto öffnen, wenn es vorhanden ist. Und so wie der 14jährige Schüler im Zweifel das Fahrrad dem Bus vorziehen kann, so kann dessen Oma dann ihr Auto nehmen. Man muss also immer Überzeugungsarbeit leisten und überzeugen tut man mit guter Qualität: Es ist richtig, darüber zu sprechen.

Siehe auch: VRS diskutiert über die Mobilitätswende

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