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Branchenweite Personalsuche im SPNV

18.10.18 (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die angespannte Personalsituation ist sowohl in Hessen als auch in Nordrhein-Westfalen ein Thema in der SPNV-Branche. Unternehmensübergreifend ist es schwierig und örtlich sogar so gut wie unmöglich, die offenen Stellen zu besetzen, weil sich weder Lokomotivführer noch Busfahrer finden. Sogar Zugausfälle, weil es nicht genügend Personal gibt, haben in der Vergangenheit immer wieder eine Rolle gespielt – und das nicht beschränkt auf einzelne Regionen, sondern bundesweit tauchen ähnliche Probleme auf.

„In ganz Deutschland ist der Arbeitsmarkt für Lokführer leergefegt“, sagt Knut Ringat, Geschäftsführer des RMV. „Wir haben es wie im Gesundheitswesen und der Pflege mit einem Mitarbeiternotstand zu tun, der direkte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat, denn ohne öffentliche Mobilität steht unser Land still. Anders als manche behaupten, liegt der Lokführermangel keineswegs daran, dass die Verkehrsunternehmen zu wenig Personal einstellen. Die Arbeitgeber werben seit Jahren händeringend um jeden Mitarbeiter, finden aber nicht mehr ausreichend Personal.“

Die Gründe hinter dem Fachkräftemangel sind vielfältig: Zu wenig Nachwuchskräfte, eine hohe Fluktuation und hohe Krankenstände, beispielsweise aufgrund suizidaler Unfälle, sorgen dafür, dass die Personaldecke dünn ist. Gleichzeitig wächst der ÖPNV in ganz Deutschland: Immer mehr Menschen nutzen Busse und Bahnen. Der RMV reagiert auf diese positive Tendenz mit zusätzlichen Verbindungen und engeren Taktungen, damit alle komfortabel ans Ziel gelangen.

Auch wenn der höhere Stellenwert des öffentlichen Nahverkehrs erfreulich ist – die dafür verstärkt auch in den Nachtstunden und am Wochenende erforderlichen Schichten müssen mit zusätzlichem Personal besetzt werden. Auch Tarifvereinbarungen wie sie beispielsweise bei der Deutschen Bahn seit 2018 gelten und kürzere Arbeitszeiten oder zusätzliche Urlaubstage vorsehen, sorgen für einen höheren Personalbedarf.

Der demografische Wandel verschärft die Lage: Nach einer Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sind fast vierzig Prozent der Beschäftigten in Verkehrsunternehmen älter als fünfzig Jahre und gehen damit in kommenden 15 Jahren in den Ruhestand.

Bis zu 30.000 Neueinstellungen planen die deutschen Nahverkehrsunternehmen laut der VDV-Studie bis zum Jahr 2020 und ziehen dafür viele Register: Umschulungen und Quereinstiege bieten auch Menschen in höherem Alter und aus anderen Branchen Perspektiven, großangelegte Werbekampagnen machen auf die Berufe aufmerksam und die Gehälter gehen nach oben.

Auch landespolitisch nimmt man sich diesem Thema an. So hat das Düsseldorfer Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen letzte Woche zu einem runden Tisch eingeladen, an dem die Vertreter aller Eisenbahnunternehmen Maßnahmen zur Personalgewinnung erarbeitet haben. In einem ersten Schritt wird die Branche eine gemeinsame Kampagne zum Employer Branding starten.

Weitere Maßnahmen sollen nach dem Willen der Unternehmen unter anderem mehr Kooperation bei der Ausbildung, gemeinsame Regelungen für Personalwechsel und gegenseitige Unterstützungsmaßnahmen in Krisensituationen sein. Das Verkehrsministerium wird die weitere Zusammenarbeit von Unternehmen und Aufgabenträgern koordinierend begleiten und fördern.

Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU): „Ich freue mich, dass Unternehmen und Aufgabenträger hier gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. Die geplanten Maßnahmen werden die Personalsituation verbessern.“ „Als Branche steuern wir hier bereits mit Lohnplus und besseren Arbeitsbedingungen gegen, um aber wirklich den Hebel herumzureißen, brauchen wir Unterstützung, insbesondere vonseiten des Bundes und der gesamten Gesellschaft“, so Knut Ringat vom RMV, der in seiner Funktion als Vizepräsident des VDV auch überregional gegen den Fachkräftemangel kämpft.

Ringat nimmt auch die Politik in die Pflicht: „Busfahrer und Lokführer müssen als Mangelberufe anerkannt und somit in Ausbildung, Umschulung, Qualifizierung und Quereinstieg auch von staatlicher Seite umfassend gefördert werden. Zudem ist eine höhere Wertschätzung der Berufe vonseiten der Gesellschaft ein ganz zentraler Punkt, um mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr zu begeistern. Damit das funktioniert, muss die Branche die Bedeutung des ÖPNV und der Beschäftigten für die Daseinsvorsorge und eine nachhaltige, zukunftsfähige Mobilität noch stärker deutlich machen.“

Siehe auch: Die große Herausforderung

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