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Einfach mal ein Tabu brechen

13.08.18 (go.Rheinland, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Alkohol ist ein böser Geist, der leider weit mehr Menschen im Griff hat, als wir uns das landläufig vorstellen. Da ist es schon bezogen auf die üblichen Wahrscheinlichkeitsrechnungen quasi sicher, dass ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern einige Leute hat, die an der Flasche hängen – ob in der Werkstatt, im Bus oder in der Bahn, bis hin in die Vorstände. Der Alkohol macht vor keinem Teil unserer Gesellschaft Halt und bedroht alle Menschen gleichermaßen.

Was haben wir erst vor ein paar Wochen gelacht, als der EU-Kommissionsvorsitzende Jean-Claude Juncker auf dem NATO-Gipfel erkennbar alkoholisiert war. Wenn dann auf einmal die Rede von einem Ischias-Leiden ist, dann schlägt das Klischee über Co-Abhängigkeit voll zu: Zahlreiche Arbeitskollegen, Freunde und Familienangehörige erfinden alle möglichen obskuren Geschichten, um den Alkoholismus einer nahestehenden Person zu verdecken.

Es ist Zeit, diesen Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen und die Kölner Verkehrsbetriebe gehen da genau den richtigen Weg: Wenn ihr erkennt, dass ihr ein Problem habt, dass ihr nicht mehr ohne den Alkohol könnt und dass ihr nicht das frische Gaffel Kölsch nach Feierabend trinkt, weil es schmeckt, sondern weil ihr ohne Sprit nicht mehr klarkommt – dann meldet euch! Es gibt Hilfe und man kann in jeder Situation versuchen, trocken zu werden.

Nein, Harald Juhnke ist kein Idol, sondern ein mahnendes Beispiel. Und niemand stellt in Abrede, dass Alkoholismus eine Krankheit ist – vielleicht die letzte große Tabukrankheit bei uns. Nun kann man weder als einzelnes Unternehmen, noch als ÖPNV-Branche insgesamt grundlegend etwas ändern. Wohl aber kann man mit gutem Beispiel vorangehen und klarmachen, dass es mehr Mittel gibt, als alles totzuschweigen.

Doch man kann das nicht nur von oben vorgeben. Das richtet sich an alle: An Busfahrer, an Büromitarbeiter, an Werkstattmechatroniker, an Ingenieure und Fahrkartenkontrolleure: Sprechen Sie Kollegen an, bei denen sie glauben, dass der Alkoholkonsum zu hoch ist. Gucken Sie nicht weg, wenn jemand noch vor der Arbeit einen Flachmann braucht, um in die Kontakte zu kommen. Und runzeln Sie nicht mit der Stirn, denn wir haben es mit kranken Menschen zu tun, die Hilfe brauchen.

Ein Alkoholiker kann in den meisten Fällen nicht einfach aufhören. Umso wichtiger ist es, dass immer mehr Unternehmen vertrauliche Anlaufstellen schaffen und zeigen: Wir helfen euch, eure Krankheit zu überwinden. Es gibt nach den Zahlen der Rauschgiftbeauftragten der Bundesregierung etwa 1,3 Millionen Alkoholabhängige in Deutschland, nur etwa zehn Prozent begeben sich in Therapie.

Gegen diesen Zustand sind alle aufgefordert, etwas zu tun. Das ist umso wichtiger, wenn man es mit einer Branche zu tun hat, in der schwere Geräte bewegt werden. Ja, eine Straßenbahn, ein Zug, aber auch ein Bus sind durchaus mit Industriemaschinen vergleichbar. Deshalb kann man nur die gesamte Branche aufrufen, soweit noch nicht geschehen, es den Kölner Verkehrsbetrieben gleichzutun und dem Alkohol den Kampf anzusagen!

Siehe auch: KVB intensiviert Engagement gegen Alkoholmissbrauch

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