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SE: Misstöne zwischen SJ und MTR

09.05.18 (Europa, Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Die Vizepräsidentin für Kommunikation des schwedischen Eisenbahnunternehmens SJ AB, Malou Sjörin, bezeichnete den Wettbewerber MTR kürzlich als „chinesisches Staats-Eisenbahnunternehmen“ („Kinesiska statens tågbolag MTR“). Es sei unvertretbar, dass ein chinesisches Staatsunternehmen sich auf eine Vertriebsplattform zwinge, welche ein schwedisches Unternehmen (gemeint ist die dem schwedischen Staat gehörende SJ AB) auf eigene Kosten geschaffen habe, so Sjörin weiter.

Dem Disput vorangegangen ist eine Beschwerde von MTR bei der schwedischen Wettbewerbsbehörde im April, mit welcher MTR die Mitbenutzung des Buchungssystems SJ.se erreichen möchte. Willkürlich mutet an, dass neben SJ zwei private Verkehrsunternehmen ebenfalls auf SJ.se verkaufen, nicht aber MTR und ein weiteres neues Verkehrsunternehmen, Saga Rail. Nach Ansicht von Allrail, dem Verband neuer Eisenbahnunternehmen, werde MTR einer Fehlinformationskampagne seitens SJ ausgesetzt.

So habe SJ-Aufsichtsratsvorsitzender Jan Sundling auf der Hauptversammlung erklärt, dass die Züge von MTR Nordic „von der chinesischen Regierung betrieben“ würden. SJ-Pressesprecher Niclas Härenstam habe in einem Interview mit dem schwedischen Rundfunk in der vergangenen Woche die selben Falschbehauptungen wiederholt. Allrail bezeichnet die Äußerungen von hochrangigen Vertretern von SJ als eine manipulative Taktik, die nationalistische Ressentiments ausnutzen möchte, um die öffentliche Meinung so gegen den Wettbewerber MTR zu drehen.

Zwar ist die Hongkonger Regionalregierung immer noch an der MTR Corporation beteiligt, ein Börsengang des noch unter britischer Herrschaft in Hongkong gegründeten Verkehrsunternehmens fand aber bereits 2000 statt. Bei der Betriebsgesellschaft MTR Nordic handelt es sich um ein Unternehmen, das in Schweden registriert ist. Nach Angaben von Allrail habe der Marktzutritt in Schweden die Fahrpreise gesenkt, neue Fahrgäste von der Eisenbahn überzeugt und auch neue Arbeitsplätze in Schweden geschaffen.

Der Generalsekretär von Allrail, Nick Brooks, hält die Taktik von SJ für kurzsichtig. Historisch marktbeherrschende europäische Unternehmen expandierten auch nach Asien. Ein Tochterunternehmen der staatlichen Gesellschaft RATP aus Frankreich betreibe die Straßenbahnen in Hongkong. Brooks erklärte weiter: „Wir hätten solch eine populistische Engstirnigkeit niemals von einem Staatsunternehmen in Schweden erwartet – in einem Land, das den Ruf genießt, weltoffen zu sein.“

Das Ausnutzen von Ressentiments ist allerdings kein rein schwedisches Phänomen. Anfang 2017 veröffentlichte die britische Eisenbahnergewerkschaft TSSA ein Video unter dem Titel „Euro Thanks“, bei dem sich als Niederländer, Franzosen und Deutsche (stereotyp fußballschauend und biertrinkend) dargestellte Schauspieler bei den britischen Zuschauern für staatliche Subventionen und Profite „bedanken“, die „unsere Eisenbahnen billiger“ machen.

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