Kehl: Neue Tramlinie übertrifft die Erwartungen
09.05.18 (Baden-Württemberg, Europa) Autor:Stefan Hennigfeld
Die grenzüberschreitende Tramlinie D in Kehl ist ein Erfolgsmodell: Rund drei Millionen Fahrgäste haben im ersten Jahr den Rhein in beide Richtungen überquert und damit fast doppelt so viele Einzelfahrten absolviert, wie die beiden Projektpartner in ihrem Kooperationsvertrag prognostiziert hatten. Straßburg und Kehl waren von je 1,64 Millionen Einzelfahrten in den ersten beiden Jahren ausgegangen.
„Wir haben immer an den Erfolg der Tram geglaubt“, freut sich Oberbürgermeister Toni Vetrano (CDU), „aber dieses Ergebnis übertrifft alle unsere Erwartungen bei weitem“. Die Zahl der Fahrgäste in der Tram übersteigt die in der am 28. April 2017 eingestellten Buslinie 21 um 127 Prozent. Mit dem größten Fest, das Kehl je gesehen hat, ist die grenzüberschreitende Tramlinie D am Wochenende des 29. und 30. April 2017 eingeweiht worden.
115.000 Menschen haben an diesen beiden Tagen die Tram gefeiert; rund 100.000 haben in der Tram den Rhein überquert. Weil die Fahrt auf der Linie D an diesem Einweihungswochenende kostenlos war, sind diese Fahrgäste in die Statistik nicht eingeflossen. Da am 1. Mai der öffentliche Personennahverkehr ruht, hat die grenzüberschreitende Tramlinie D am 2. Mai 2017 ihren Regelbetrieb aufgenommen.
Und dieser zeichnet sich – quasi seit Beginn – durch Besonderheiten aus, die ihn vom Betrieb anderer Tramlinien auf dem Gebiet der Eurométropole de Strasbourg unterscheiden: Die Tramlinie D ist die einzige Linie, auf der samstags mehr Fahrgäste fahren als unter der Woche. Der Freitag ist, was die Nutzung der Tram angeht, der stärkste Wochentag.
Während auf allen übrigen Tramlinien die Hauptverkehrszeit der morgendliche Berufsverkehr ist, drängen sich in den grenzüberschreitenden Tramzügen am späteren Nachmittag und frühen Abend die meisten Fahrgäste – nämlich dann, wenn Grenzpendler, die in Kehl arbeiten und in Straßburg wohnen, Feierabend haben und auf Menschen treffen, die auf der anderen Rheinseite ihre Einkäufe erledigt haben.
Die Haltestelle Kehl Bahnhof ist die am stärksten frequentierte Endhaltestelle im gesamten CTS-Netz und die am stärksten frequentierte Haltestelle außerhalb des Straßburger Stadtzentrums. Im gesamten CTS-Tramnetz liegt die Haltestelle Kehl-Bahnhof, was die Fahrgast-Frequenz angeht, an 16. Stelle. Die Zahl der Fahrten über den Rhein bleibt auch über die Zeit der Sommerferien hinweg konstant, während sie auf dem Gebiet der Eurométropole in dieser Zeit leicht sinkt.
In der Hauptverkehrszeit verkehrt die Tram über den Rhein im 14-Minuten-Takt. Weil es an Samstagen bereits zu Zeiten der grenzüberschreitenden Buslinie 21 selbst dann noch Engpässe gab, als diese im Neun-Minuten-Takt über die Europabrücke fuhr, wurde für die Tram von Anfang an an Samstagen von 12 bis 19 Uhr ein Sieben-Minuten-Takt festgelegt.
Was anfangs noch als eine Art Test gedacht war, ist heute nicht mehr wegzudenken: An Samstagen liegt die Zahl der Fahrten über den Rhein in der Regel über der 12.000er-Marke; an den ersten beiden Adventssamstagen wurden gar um die 17.000 Einzelfahrten zwischen Straßburg und Kehl registriert. Überhaupt war die Zeit, in der in Straßburg die Weihnachtsmärkte stattgefunden haben, auch die Periode des ersten Betriebsjahres, in der die grenzüberschreitende Tram am stärksten genutzt wurde.
Um zu verhindern, dass in dieser Zeit Menschen auf dem Bahnsteig stehen bleiben und um die Berufspendler nicht durch übervolle Tramzüge zu verprellen, hatte die Stadt Kehl entschieden, vor allem in den späteren Nachmittagsstunden bis zur Schließung der Weihnachtsmärkte um 21 Uhr ebenfalls alle sieben Minuten Tramzüge fahren zu lassen.
Im Fahrplan berücksichtigt wurden auch die Tage, an denen nur in einem Land Feiertag war: Auf der Tramlinie D reihen sie sich in die Liste der fahrgaststarken Tage ein und übertreffen deutlich normale Sonntage oder Feiertage in beiden Ländern. Auch verkaufsoffene Sonntage in Straßburg und Kehl stechen aus der Fahrgaststatistik heraus.
Fahrgastbefragungen im Oktober vergangenen Jahres haben ergeben, dass unter der Woche neunzig Prozent der Fahrgäste von der französischen Rheinseite kommen und zehn Prozent von der deutschen; an Samstagen ist das Verhältnis achtzig zu zwanzig Prozent. Die neue Straßenbahnlinie ist also ein Erfolgsmodell, das selbst von den Befürwortern nicht vorhergesehen werden konnte. Die hohe Nachfrage ist ein besonderer schienenpolitischer Erfolg, der für andere Regionen von Modellcharakter sein könnte.
Siehe auch: Die Schiene hat Zukunft und Potential