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Freiheit braucht auch Sicherheit

30.05.18 (Allgemein, Kommentar) Autor:Max Yang

Diejenigen von uns, die vornehmlich in den Nullern großgeworden sind, kennen sicher noch den eingängigen Slogan „Freiheit stirbt mit Sicherheit“. Auf Demonstrationen landauf, landab war er zu hören. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York zogen die Regierungen westlicher Staaten die Daumenschrauben an und gossen verschiedenste Verbote und Überwachungsmaßnahmen in Gesetzesform.

Gerade in Deutschland ist man, sicher auch wegen historischer Erfahrungen mit Diktaturen, sehr vorsichtig und hat lange auf gewisse Maßnahmen verzichtet, die in europäischen Nachbarländern längst üblich sind. Selbst Technologien, die nicht ausdrücklich der Überwachung dienen, werden mit großem Argwohn betrachtet. Erinnert sich jemand an die 2015 vom Fahrgastverband IGEB losgetretene Welle der Aufregung um die VBB-fahrCard?

Deren einstiges Speichern von Kontrollzeitpunkten wurde plakativ als „Datenleck“ bezeichnet. In einem Artikel für die Verkehrszeitschrift „Signal“ rief man sogleich nach einer dauerhaften „Beaufsichtigung von unabhängiger Stelle“, um nicht vermeintlichem Datenmissbrauch Tür und Tor zu öffnen. Der Kontrast zur wenig später gegründeten lokalen Fahrgastvereinigung „A Cinderella Line“ in Süd-London könnte nicht größer sein.

Entlang einer Zweigstrecke ruft man mit dem Slogan „Be Counted“ auch Fahrgäste mit Zeitkarten dazu auf, am gelben Kartenleser einzuchecken. Dort hat man verstanden, dass aussagekräftige Statistiken die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger zu einem Umdenken bewegen können. Kleinere Verbesserungen konnte die Initiative bereits als Teilerfolge feiern.

Offenbar erreicht man mit sachlicher Arbeit mehr als mit Empörung.Kehren wir zum Demo-Schlachtruf zurück. Bei genauerer Betrachtung spricht vieles dafür, dass das Gegenteil richtig ist: Freiheit braucht auch Sicherheit. Ja, exzessive Verbote und übertrieben penible Kontrollen führen dazu, dass man sich schikaniert und unfrei fühlt. Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille.

Nicht nur die Berliner Polizei ist überaltert. Sparmaßnahmen bei der Bezahlung und der Infrastruktur haben der Personalgewinnung und Handlungsfähigkeit geschadet. Dazu kommen politische Fehleinschätzungen, etwa der Glaube, dass Deutschland eine wohlhabende, alternde und abgeschottete Inselnation sei und die Kriminalität quasi naturgesetzlich abnehmen werde.

Die Realität sieht anders aus: Wie frei fühlen sich ÖPNV-Nutzer, die jeden Tag Brennpunkte passieren und Angst um ihr Eigentum oder ihre persönliche Sicherheit haben? In seiner Not zeigte der Chef des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, Knut Ringat, im Oktober 2016 in der Bild-Zeitung sein Unverständnis über Drogenhändler und aggressive Bettler im Frankfurter Hauptbahnhof.

Auch heute sind Junkies und Dealer in der B-Ebene keine Seltenheit, mitsamt der angeschlossenen Beschaffungskriminalität. Um den ÖPNV auch jenseits der „fünf großen As“ zu einer attraktiven Option zu machen, bedarf es mehr Freiheit durch mehr Sicherheit. Dafür muss auch die personelle Ausstattung der Polizeien stimmen.

Siehe auch: Bundespolizei wirbt Bewerber an Bahnhöfen an

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