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Die Schiene hat Zukunft und Potenial

09.05.18 (Baden-Württemberg, Europa, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn die Fahrgastzahlen bereits nach einem Jahr doppelt so hoch sind, wie in den Prognosen angenommen, dann zeigt das, welch enormes Potential der Verkehrsträger Schiene hat. Die Allianz pro Schiene gibt regelmäßig ihr Heft „Stadt, Land und Schiene“ heraus, in denen besonderes Erfolgsmodelle vorgestellt werden. Sie sollen zeigen, dass die Menschen sehr wohl bereit sind, bei guten und vertakteten Angeboten vom Auto auf die Bahn umzusteigen.

Dazu gehört ein vernünftiger Fahrplan bis in die Tagesrandlage, auch ein guter Wochenendverkehr und Rollmaterial, das den Standards des 21. Jahrhunderts entspricht. In den ersten Jahren nach der Eisenbahnreform hat man das immer wieder erlebt. Die Aufbruchstimmung von damals ist heute kaum mehr vorstellbar, aber viele Strecken und Linien erhielten neue Fahrzeuge und Bahnhöfe wurden modernisiert.

Heruntergekommene Bahnhofsgebäude mussten zum Zwecke der Reise oftmals nicht mehr betreten werden und zahlreiche Umgestaltungen mit privaten Investoren und engagierten Kommunalpolitikern haben frühere Rauschgiftumschlagplätze wieder zu attraktiven Visitenkarten der Stadt werden lassen. Veraltete Silberlinge wurden durch moderne Züge ersetzt und ganz gleich, ob dort noch „die Bundesbahn“ (also DB Regio) oder „was privates“ gefahren ist, die Qualität ist spürbar angestiegen und damit einhergehend auch die Fahrgastzahlen.

Mit viel Mühe hat man sich dem Ruf entledigt, den die alte Behördenbahn hinterlassen hat, wonach die Schiene ein unsanierbarer Subventionsmoloch ist, ein Relikt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Heute wissen wir: Die Schiene hat Zukunft und besitzt ein Potential, das wir allenfalls erahnen können. Denn auch hier kommt die alte Behördenbahn wieder ins Spiel: Wer sich eine deutsche Schienenkarte von 1945 ansieht und diese mit einer von 1995 vergleicht, der sieht einen Kahlschlag, dessen Behebung wohl nie wieder möglich sein dürfte.

Hier wurde Infrastruktur auf irreparable Art und Weise zerstört. Umso schöner ist es, wenn man immer wieder Fälle hat, wie jetzt in Kehl, bei denen man schon nach kurzer Zeit alle Erwartungen übertrifft und sieht: Das Angebot schafft sich seine Nachfrage. Ist die Qualität gut, kommen die Fahrgäste und zwar mehr, als man in der Regel bei der Berechnung annimmt.

Und ja, das zeigt sich immer wieder. Etwa beim ersten Netz der Nordwestbahn in Niedersachsen. Oder bei der Düsseldorfer Regiobahn, wo sich die Fahrgastzahl innerhalb von zwanzig Jahren verfünfzigfacht(!) hat und mit zahlreichen Verlängerungen nach Osten und Westen noch erheblich Luft nach oben ist.

Es ist also an der Zeit, sich vor dem Hintergrund der immer wieder geforderten Verkehrswende Gedanken um die Frage zu machen, wie ein umfassendes Reaktivierungsprogramm für Eisenbahnstrecken aussehen könnte: Welche Rolle könnte der SPNV spielen und welche der Güterverkehr auf Strecken, die regulär nicht mehr befahren werden. Es ist Zeit das Potential zu nutzen, denn nur so funktioniert die vielzitierte Verkehrswende.

Siehe auch: Kehl: Neue Tramlinie übertrifft die Erwartungen

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