Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Buzzword-Bingo

03.05.18 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Digitalisierung ist längst nicht nur im Eisenbahnwesen eines der Lieblingswörter des politischen Sprachgebrauchs. Was wir alles digitalisieren wollen ist unbegreiflich. Es gibt jetzt sogar eine Bundesministerin für Digitalisierung. Ob die CSU-Frau es wohl schafft, bis zu den kommenden Bundestagswahlen dafür zu sorgen, dass ich bei meinem nächsten Bayern-Urlaub mit meinem Smartphone vernünftig ins Internet komme?

Ich habe jedenfalls schon mehr als einmal in der Nähe von Schloss Neuschwanstein erlebt, wie ausländische Touristen an ihren mobilen Endgeräten standen und fassungslos ob des desolaten Empfangs waren. Schloss Neuschwanstein ist übrigens ein Fahrtziel Natur, man soll da besonders gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommen. Glauben Sie mir: Kommt man nicht.

Gerade in einer Zeit, in der alle Welt von Mobilität 4.0 spricht, könnte man sich mit solchen Fragen aber mal beschäftigen: Wie kommt man eigentlich außerhalb der Metropolen ohne eigenes Auto im Leben klar? Hat das was mit Mobilität 4.0 zu tun? Ich weiß es nicht und ich freue mich auf jede Form von Leserpost, die mir erklärt, was mit dem Schlagwort Mobilität 4.0 eigentlich genau gemeint sein soll.

Ist damit vielleicht die vierte Amtsperiode der Bundeskanzlerin gemeint? Und was war mit Mobilität 2.0 und Mobilität 3.0? Was ist daraus geworden und was war gewollt? Denn wir wissen ja, dass die Eisenbahnbranche, einmal mehr, so massiv im Machermodus ist, dass man ob der verschiedenen Vorhaben deren Umsetzung schon mal vergessen kann.

Ja, die Umsetzung ist so eine Sache. Wo bleibt etwa das Durchgriffsrecht der SPNV-Aufgabenträger auf kommunale Planungsämter? Wie kann sich ein SPNV-Aufgabenträger verhalten, wenn eine Stadtverwaltung ihren Busstern so plant, dass ein Umstieg von der Schiene in den Stadtbus nicht oder faktisch nicht möglich ist? Und wie geht man mit fortgesetzten Schlechtleistungen um?

Das gilt längst nicht mehr nur auf der Schiene, sondern auch bei kommunalen Unternehmen muss man sich die Frage stellen, wie denn Qualität und Leistung abgesichert werden sollen. Diese grundständigen Probleme sind nicht nur nicht gelöst, sondern bereits die Fragestellung will niemand hören. Aber es ist nicht der erste Koalitionsvertrag, der eine Elektrifizierungsoffensive und einen Deutschlandtakt fordert und es wird nicht der letzte sein.

Und warum um alles in der Welt ist Dieseltraktion beim Bus- und Schienenverkehr eigentlich ein Problem, wenn die Verkehrsbelastung größtenteils vom Individualverkehr kommt? Aber viele steigen deshalb nicht vom Auto auf den ÖPNV um, weil die Verbindungen oftmals zu unzuverlässig oder zu unattraktiv sind.

Wer von Bad Münstereifel nach Bonn pendelt, dem ist im Zweifel egal, ob sein Zug mit Diesel oder mit Wasserstoff angetrieben wird. Der fährt mit dem Auto, wenn er nach Feierabend vom Zug nicht gut mit dem Bus nach Hause kommt. Das sind die wahren Probleme, die man lösen muss. Man braucht ein gutes, vertaktetes und zuverlässiges Angebot statt dem hier dargebotenen Buzzword-Bingo.

Siehe auch: Bahnbranche verkündet Diesel-Aus

Kommentare sind geschlossen.