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Mehdorns Bodenhansa-Phantasien sind wieder da

19.04.18 (Fernverkehr, Kommentar, NWL) Autor:Stefan Hennigfeld

Wesentlicher Bestandteil der Verkehrswende ist, dass man möglichst viele Menschen dazu anhält, auf die Eisenbahn umzusteigen. Das Auto stehen lassen, auf den Inlandsflug verzichten und über die Schiene reisen. Doch wie soll man denn auf den Zug umsteigen, wenn man nirgendwo mehr einsteigen kann? Ein ICE, der von Bonn mit Zwischenhalten nur in Köln und Hannover nach Berlin fährt, ist ein Rückfall in die Nullerjahre.

Als Hartmut Mehdorn mit seinen Bodenhansa-Phantasien auf der Schiene erheblichen Schaden angerichtet hat, weil ihm die spezifischen Vorteile des Systems Schiene schlicht nicht bekannt waren. Aber mit einem an Millionen Menschen vorbeirauschenden ICE stärkt man die Schiene gerade nicht. Die Eisenbahn ist dafür da, die Menschen abzuholen und mitzunehmen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das passiert längst nicht mehr langsam. Aus gutem Grund kann der ICE nach Berlin in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen mit weit über 200km/h fahren. Aber wer soll denn z.B. aus dem Ruhrgebiet oder Ostwestfalen erst bis Hannover oder Köln fahren, um in den Zug nach Berlin einsteigen zu können? Ja, es soll auch den jetzigen ICE weiterhin geben.

Aber wie lange? Sobald irgendwo über mögliche Leistungsausweitungen im SPNV diskutiert wird, warnt man bei DB Fernverkehr vor Kannibalisierungseffekten zulasten des SPFV. Das tritt hier nicht weniger auf. Wer aus Köln oder Bonn nach Berlin fährt, der fehlt dann in diesen Zügen. Dann geht es im Zweifel ganz schnell, dass bestimmte jetzt angeblich noch nicht zur Disposition stehende SPFV-Angebote leider unwirtschaftlich sind und kurzfristig eingestellt werden müssen.

Natürlich könnte man das dann wieder unbürokratisch und ideologiefrei lösen, wenn man gegen ein entsprechendes Entgelt auch Nahverkehrsfahrscheine anerkennt. Der NWL hat ja nun in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass man in dieser Frage immer wieder versucht, dubiose Deals mit DB Fernverkehr zu machen. Auch wenn das bislang stets juristisch untersagt worden ist.

Ein guter Aufgabenträger würde klar und deutlich sagen: Wir werfen alles in die Waagschale um zu verhindern, dass einzelne SPFV-Leistungen die Takttrassen kaputtfahren. Dafür gibt es eine Bundesnetzagentur, dafür gibt es aber auch die Einflussnahme von Landesstellen auf die Bundespolitik. Und vor allen Dingen muss man darüber reden, welche Rolle die Bundesregierung bei der Angebotsplanung des Bundesunternehmens DB Fernverkehr spielt.

Denn diese Express-ICE-Planungen haben mit einem Deutschlandtakt nichts mehr zu tun. Dieser Deutschlandtakt, der jetzt mal wieder folgenlos im Koalitionsvertrag steht, wird doch gerade dadurch ad absurdum geführt, dass solche wichtigen Fragen im Bahntower und nicht im Bundesverkehrsministerium entschieden werden. Es ist, und da sind wird wieder bei der Mehdorn-Ära, wie es immer war: Die DB AG kann tun und lassen, was sie will. Die Bundesregierung überlässt die Eisenbahnpolitik dem Bahnvorstand. Mit allen Negativauswirkungen, die dazugehören.

Siehe auch: NWL: Debatte um beschleunigten Berlin-ICE

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