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Realistisch bleiben

12.02.18 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man einige Leute in diesen Tagen reden hört, könnte man meinen, die Großkoalitionäre von CDU, CSU und SPD hätten hier das verkehrspolitische Ei des Kolumbus gefunden. Warum man hier dem kollektiven Glauben verfallen ist, alles was in irgendwelchen Koalitionsverträgen steht, würde umgesetzt, weiß wohl niemand so genau. In wie vielen Koalitionsverträgen der Vergangenheit stand ein bundesweiter Deutschlandtakt? Jedenfalls in sehr vielen.

Und überhaupt funktioniert Politik nie nach Plan. Wer hat denn 2013, als die Bildung der Bundesregierung noch wesentlich schneller gelang, ahnen können, was die jetzt abgelaufene Legislaturperiode bestimmt. Niemand wusste damals, dass im zweiten Halbjahr 2015 eine Migrationskrise ausbrechen würde, in deren Folge sich die Parteienstruktur im Bundestag erheblich geändert hat.

Auch die entscheidende Weichenstellung in der Eisenbahnpolitik hatte mit exakt dieser Migrationskrise zu tun: Der Bund war bis dato stets bemüht, die Regionalisierungsgelder zu senken. Öffentliche Verkehrsmittel haben schließlich eine lange Tradition als Finanzsteinbruch. Die endgültige Entscheidung fiel, als an einem Wochenende eine fünfstellige Zahl an neu eingereisten Asylbewerbern mit dem Zug durch Deutschland gefahren sind.

Als kurz drauf die Frage nach der künftigen Finanzierung zu klären war, hat man der Eisenbahnbranche eine Finanzausstattung zugestanden, die noch wenige Monate zuvor völlig undenkbar gewesen wäre. Jetzt wollen also die gleichen Leute, die seit Jahren oder Jahrzehnten komplett planlos sind, irgendwas im Vergleich zum Status Quo verändern. Aha.

Warten wir doch mal ab, ob die das wirklich tun und ob diese Regierung überhaupt bis 2021 hält oder ob wir vorgezogene Neuwahlen haben werden. Dabei scheint es beim Posten des Bundesverkehrsministers durchaus eine gewisse Konstanz zu geben: Dieser geht fast schon traditionell, jetzt zum dritten mal in Folge, an die CSU. Im Grunde ist das ja eine Traumkombination: Ein und dieselbe Partei besetzt das Ressort über dann zwölf Jahre und hätte in dieser Zeit richtig was bewegen können. Denn Eisenbahnpolitik ist keine Sache einer Legislaturperiode.

Im Gegenteil: Die fehlenden Visionen haben ja gerade damit zu tun, dass immer nur bis zur nächsten Wahl gedacht wird. Mögliche Probleme hinterlässt man gerne einer Nachfolgeregierung. Und sehen wir uns doch mal an, wie der Posten des Verkehrsministers besetzt wird: Nicht etwa mit Leuten, die besondere Fachkompetenzen haben und wissen, was zu tun ist, sondern in der Regel mit Leuten, denen die Münchener Parteispitze etwas zu verdanken hat.

Jetzt wird es mit Andreas Scheuer wohl erneut jemand, der in der Legislaturperiode zuvor eine gute Arbeit als Generalsekretär gemacht hat. Es ist ja schön, wenn man verdienten Funktionären mit Ministerposten dankt, aber nach Gestaltung und Visionen sieht das nicht aus. Ja, ich kippe jetzt Wasser in den Wein, aber wenn die gleichen Leute jetzt einfach weiterregieren, dann ist das allen Verträgen zum Trotz kein Grund zum Optimismus.

Siehe auch: Branche zufrieden mit Koalitionsvertrag
Foto: B_A

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