Autofahrern ein Angebot machen
15.02.18 (Baden-Württemberg, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Idee, dass öffentliche Verkehrsmittel kostenlos zu nutzen sind, in der Hoffnung, dass dann dort möglichst viele Menschen umsteigen, ist schon länger vorhanden. Warum sollte man das nicht in einer relativ überschaubaren, studentisch geprägten Stadt wie Tübingen mal versuchen? Schnupperangebote gibt es ja auch immer mal wieder in unterschiedlicher Form.
Viele Autofahrer, gerade in den älteren Jahrgängen, dürften Zugangshemmnisse haben, weil sie sich vor gefühlt absurd komplizierten Tarifsystemen fürchten, vor Automaten, die sich kaum oder zumindest nicht ohne intensive Beschäftigung bedienen lassen und ja, auch vor Schlechtleistungen: Die Bundesbahn mit ihren oft anrüchigen Zügen hat in den Köpfen vieler Menschen ein Bild hinterlassen, das mit dem modernen Bild des öffentlichen Verkehrs gar nichts mehr zu tun hat.
Der Hauptbahnhof als Rauschgiftumschlagplatz mit Gleisanschluss, der Zug fährt wann er will und endet womöglich vorzeitig und wenn man Pech hat, strandet man irgendwo und niemand ist zuständig. Wie kann man es also schaffen, manch einen Gar-Nicht-Fahrer zumindest ab und zu mal auf öffentliche Verkehrsmittel zu bringen? Mit genau sowas! Guckt doch mal samstags, wenn Ihr so oder so in die Stadt fahrt, wie das mit dem Bus klappt.
Der hat nämlich mit den Schulbuserlebnissen der 70er und 80er Jahre heute gar nichts mehr zu tun. So ein Bus des Jahres 2018 hat komfortable Sitze, ist im Sommer klimatisiert, vielfach gibt es inzwischen WLAN oder USB-Ladebuchsen und moderne Informationssysteme zeigen an, wo die nächste Haltestelle ist und welche Anschlüsse man dort hat.
Es ist hier wirklich an der Zeit, bei aller an dieser Stelle sonst immer wieder geäußerten Kritik, eine Lanze für die Qualitätsverbesserungen der letzten Jahre zu brechen. Es ist daher gar nicht verkehrt, sich immer wieder mit Aktionen wie jetzt in Tübingen an diejenigen zu wenden, die bislang gar keine Antenne für öffentliche Verkehrsmittel haben.
Ja, das gibt es: Nicht wenige Leute interessieren sich für Bus und Bahn so sehr wie ein Junggeselle für Kinderzimmer-Mobilar. Das gilt es zu ändern und samstags gratis in die Stadt zu fahren ist definitiv wirksamer als überteuerte Bandenwerbung in Fußballstadien. Doch danach muss es weitergehen: Fahrscheinkauf? Das geht doch mal eben mit der App. Einloggen und Ausloggen?
Unter Einbeziehung der üblichen datenschutzrechtlichen Regelungen ist auch das kein Problem mehr. Und dann wird per Automatismus zum Bestpreis abgerechnet: Niemand muss mehr fürchten, versehentlich zu viel zu zahlen, weil man auf keinen Fall ein versehentlicher Schwarzfahrer werden will, sondern der Kollege Computer übernimmt die Tarifierung und rechnet automatisch ab.
Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr wurden dieser Tage gezielt Ab-und-Zu-Fahrer aufgerufen, sich für ein entsprechendes Pilotprojekt anzumelden. Das wäre auch in Tübingen eine nächste gute Idee, um Menschen auf den Bus zu locken. Innovationen, Fortschritt und kundenorientierte Denkweise bringen alle weiter – auch bei Bus und Bahn.
Siehe auch: Tübingen: Samstags kostenlos mit dem Bus fahren
Foto: Stadtwerke Tübingen / Marquardt