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Alles einsteigen!

22.01.18 (Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Silvester habe ich bei Freunden gefeiert und habe mir vormittags ein Taxi zum Hauptbahnhof bestellt – natürlich bequem per App. Der Taxifahrer sagte mir, dass sein Unternehmen deutlich mehr zu tun habe als früher, bevor man sich an die App angeschlossen habe – als einziges Unternehmen in Witten. Bemerkenswert, denn am Hauptbahnhof standen zahlreiche Taxen rum und warteten auf Fahrgäste, allerdings ohne dass die viel zu tun zu haben schienen.

Mein Fahrer musste indes sofort zum nächsten Fahrgast. Die Bezahlung und Bewertung lief elektronisch, selbst das Trinkgeld konnte per App ausgegeben werden. Für die Zugfahrt habe ich mir dann über das Smartphone das Ticket gekauft. Das ist viel angenehmer als irgendein Automat am Bahnsteig oder in der Bahnhofshalle, bei dem man sich fragt, was das wohl für Flecken sind und warum die Benutzeroberfläche immer so klebrig ist.

Außerdem kommt es nicht selten vor, dass so ein Automat die Annahme bestimmter Scheine schlicht verweigert oder dass Münzen einfach durchfallen, weil die Anlagen oft schon stark in Mitleidenschaft gezogen sind. Da ist der Vertrieb mit dem eigenen Smartphone deutlich besser – ob es nun die Verbund-App ist oder im Fernverkehr der DB Navigator.

Wobei das natürlich alles in Konkurrenz mit einem Fahrschein zum Selbstausdruck am heimischen Computer steht, gar keine Frage – denn auch das hat seine Vorteile. Denn was passiert, wenn das Smartphone auf einmal keine Akkukapazität mehr hat? Längst nicht alle Züge haben ausreichend Steckdosen an Bord. Doch von solchen Fragen unabhängig ist es richtig und wichtig jetzt den nächsten Schritt zu gehen.

Nicht nur der Kauf irgendwelcher Fahrscheine, sondern auch die Abrechnung muss über das Smartphone erfolgen: Hat sich in diesem Monat ein Monatsticket gelohnt? Oder rechnen wir lieber drei Vierertickets ab? Und was ist aufs Jahr gesehen? Sieben Monatstickets und elf Vierertickets? Oder lohnt es sich mehr, für zwölf Monate ein Abo an Monatstickets zu berechnen? Fragen über Fragen, die der Kollege Computer beantworten kann.

Denn natürlich gibt es auch heute noch aufgrund des Tarifsystems Zugangshemmungen in den ÖPNV: Was macht denn ein Autofahrer, wenn er an einem Automaten steht, der womöglich seinen Zehn-Euro-Schein nicht annehmen will und sich gleichzeitig fragt, welches Ticket nun das richtige ist? Im Zweifel fährt der wieder mit dem Auto. Wenn man sich aber einfach nur anmelden muss und schon erfolgt die Abrechnung im Nachgang automatisiert, so braucht sich niemand mehr damit zu befassen, was es jetzt mit Preisstufen, Waben oder was auch immer auf sich hat.

Denn bedenken wir: Ins eigene Auto kann man jederzeit einsteigen und losfahren, wohin das Herz begehrt. Das müssen öffentliche Verkehrsmittel auch schaffen. ITF-Konzepte setzen der beständigen Verfügbarkeit etwas entgegen und ein intuitiver Zugang sorgt dafür, dass man sorgenfrei einsteigen und mitfahren kann – ganz ohne Angst, als versehentlicher Schwarzfahrer den nächsten Ärger zu haben.

Siehe auch: VRR testet Next-Ticket
Foto: Sven Steinke

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