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Stuttgart 21: Mehr Geld und mehr Bauzeit

04.12.17 (Fernverkehr, Güterverkehr, Stuttgart, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Während Stuttgart 21 sich ursprünglich aus den Verkaufserlösen von Innenstadtgrundstücken selbst finanzieren sollte und dann der Kostenrahmen definitiv seriös kalkuliert gewesen sein soll, stellt sich nun raus, dass mit einer Eröffnung frühstens Mitte der 2020er Jahre zu rechnen ist und dass man darüber hinaus erhebliche Kostensteigerungen hat. Maximal 4,1 Milliarden Euro waren vorgesehen, wobei hier noch ein Puffer für unerwartete Teuerungen einkalkuliert war.

Inzwischen ist die Rede von 7,5 Milliarden Euro. Der Kostenrahmen, den das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart, der Bund und das Bundesunternehmen Deutsche Bahn damals vereinbart haben, hält also vorne und hinten nicht. „Diese Kostensteigerungen wirken sich negativ auf viele andere Bahnbereiche aus, da das Geld ja nur einmal ausgegeben werden kann“, beklagt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb. „Schon heute gibt es einen hohen Instandhaltungsrückstand bei der Eisenbahninfrastruktur, was sich in vielen Weichen-, Signal- und Oberleitungsstörungen und einer unbefriedigenden Pünktlichkeit bemerkbar macht. Die Leidtragenden sind die Fahrgäste“.

Lieb: „Inzwischen gibt es schon einen Verzug um fünf Jahre gegenüber der bei Baubeginn verkündeten Inbetriebnahme im Jahr 2019. Um wenigstens einen Nutzen aus der Schnellfahrstrecke nach Ulm zu haben, muss der Fertigstellungstermin für die Strecke nach Ulm von der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 entkoppelt werden“. Außerdem sei zu prüfen, ob am Flughafen wirklich ein extrem teurer unterirdischer Bahnhof gebaut werden müsse oder ob nicht auch wie in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf ein leistungsfähiger Halt direkt an der Fernbahnstrecke errichtet werden könne.

Bei der Anbindung der S-Bahn-Station Mittnachtstraße an den Hauptbahnhof sieht der VCD ebenfalls Einsparungsmöglichkeiten, indem die bestehende S-Bahn-Tunnelrampe weitergenutzt werde anstatt eine neue Tunnelstrecke zu bauen. Brigitte Dahlbender vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) weist darauf hin, dass man dort bereits 2008 von einer Kostensteigerung in diesen Dimensionen ausgegangen ist.

Dahlbender: „Dass die Bahn immer wieder den Artenschutz als Kostentreiber anführt, ist dreist. Die Erfahrungen bei S21 aus den vielen vergangenen Jahren zeigen, dass die Bahn in Naturschutzbelangen schlicht unfähig war, vor allem weil sie nicht rechtzeitig ihre artenschutzrelevanten Untersuchungen und Planungen hinbekam. Die jetzigen Kostensteigerungen liegen daran, dass das Projekt nicht fertiggeplant war und überdimensioniert ist. Alle Vorschläge zur Kosteneinsparung liegen auf dem Tisch. Nun muss die Bahn innehalten und mit den Projektpartnern überlegen, was zu tun ist.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat eine Landesbeteiliung an Kostensteigerungen stets ausgeschlossen. Ob die grün-schwarze Landesregierung zu diesem Wort steht, bleibt abzuwarten.

Foto: Mussklprozz

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