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Vierzig Millionen Euro sind viel Geld

30.11.17 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Vierzig Millionen Euro mögen ein relativ kleiner Haushaltsposten sein, aber es ist dennoch sehr viel Geld, das jedes Jahr für das Sozialticket investiert wird. Ein Arbeitsloser spart, je nach Stadt, im VRR im Vergleich zu einer konventionellen Zeitkarte, nehmen wir hier das Ticket 1000 9 Uhr im Abo, zwischen sieben und elf Euro im Monat. Das Sozialticket kostet 37,80 Euro im Monat, das genannte Aboticket ist, je nach Größe der Stadt, für 44,18 Euro, 46,60 Euro oder 48,14 Euro zu haben.

Bei genauem Hinsehen stellt man also fest: So groß ist die Ersparnis gar nicht. Sicher: Für einen Arbeitslosen ohne eigenes Einkommen, der auf Hartz 4 angewiesen ist, ist das viel Geld. Aber bei allem Respekt vor den Entbehrungen, die Menschen am unteren Ende unserer Gesellschaft machen erleiden müssen: Mobilität wird durch ein solches Preisdelta nicht per se unfinanzierbar.

Und spontan fielen mir zwei Dinge ein, die man mit diesen vierzig Millionen Euro machen könnte: Zum einen wäre das Geld gut angelegt, wenn man in bezahlbaren Wohnraum investiert. Sicher: Die Tatsache, dass sich Investitionen in neuen Wohnraum nur noch im Luxussegment lohnen, ist ein Problem. Baugenehmigungen sind nur noch möglich, wenn das Haus maximal drei Etagen hat und jede Wohnung einen Balkon und einen Stellplatz hat?

Muss das, gerade wenn man sich den Wohnungsmarkt anguckt, wirklich sein? Und könnten diese vierzig Millionen Euro im Jahr nicht, gerade wenn man sie fortlaufend fließen lässt, auf Dauer deutlich besser dazu beitragen, die Obdachlosigkeit zu bekämpfen? Das wäre in jedem Fall eine Überlegung wert – und sozialpolitisch deutlich besser als das Geld einfach so in den Straßenbau fließen zu lassen.

Oder man nimmt das Geld und tut, was bislang jede Landesregierung verweigert hat: Zugleistungen bestellen. Ob schwarz oder rot den Landesverkehrsminister gestellt hat, selbst als es kurzzeitig einen skurrilen grünen Staatssekretär gab, waren sich alle einig: Geld aus dem Landeshaushalt gibt es nicht; zumindest nicht für die Bestellung von Eisenbahnleistungen.

Rund vier Millionen Zugkilometer lassen sich von den vierzig Millionen Euro bestellen. Sonntags morgens wird bis acht Uhr nach Nachtfahrplan gefahren? Am Abend wird auf einmal der Takt ausgedünnt oder es ist schon um 22 Uhr Betriebsschluss? Mit all diesen Hässlichkeiten könnte man sofort Schluss machen. In der Regel sind es einfache Nachbestellungen, die man bei den jeweiligen Verkehrsunternehmen tätigen kann. Die Züge sind schon da, die Ausschreibungen längst erfolgt und das Vergaberecht lässt Nachbestellungen von bis zu dreißig Prozent ohne weiteres zu.

Man braucht im Grunde, wenn das Geld dafür da ist, nur anzurufen und zu sagen, dass man bitte in Zukunft sonntags früher anfangen soll. Im Zweifel lassen sich solche Regelungen auch in der laufenden Fahrplanperiode treffen – da muss man nicht bis Dezember warten. Es gibt vieles, was man gutes tun kann. Das Sozialticket ist eine Möglichkeit. Nur eins sollte die Eisenbahnbranche nicht zulassen: Dass das Geld einfach in die Straße fließt.

Siehe auch: NRW: Debatte um das Sozialticket
Foto: stevepb

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