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Oberleitungen braucht das Land

16.11.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist sicher ganz interessant, wenn eine Kooperationsgemeinschaft bestehend aus mehreren Aufgabenträger, Industrie und Eisenbahnverkehrsunternehmen Projekte wie Wasserstofftraktion oder ähnliches begleiten. Akkutriebzüge, die auf elektrifizierten Abschnitten aus der Oberleitung nachladen können oder generell aus allgemeinem Interesse Züge, die auch ohne Oberleitung auf konventionelle Dieseltraktion verzichten können.

Das ist aber weder die großflächige Problemlösung noch marktfähig. Was wir brauchen – und das sagen die entsprechenden Stellen zurecht seit vielen Jahren – ist eine bundesweite Elektrifizierungsoffensive für das Eisenbahnnetz. Die Zielmarke von siebzig Prozent ist dabei immer noch relativ gering, wenn man bedenkt, dass etwa die Schweiz nahezu das gesamte Netz unter Strom gestellt hat.

Auch Stadtbahnen fahren ganz selbstverständlich in elektrischer Traktion. Dass man in Deutschland noch ganze Dieselnetze hat, nur weil entweder aus purem haushaltspolitischen Geiz oder aus mangelndem Interesse keine Oberleitungen da sind, ist ein infrastrukturpolitisches Armutszeugnis. In einem Hochleistungland wie wir es sind müsste eigentlich das gesamte Eisenbahnnetz elektrifiziert sein: Züge in elektrischer Traktion müssen die Regel sein.

Gerade im Freistaat Bayern, im Münsterland, in Norddeutschland oder im Großraum Mitteldeutschland ist es einfach notwendig, jetzt zu investieren. Dabei ist es natürlich eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Landesverkehrsminister sind sich mal wieder einig, dass eigentlich dringend was passieren muss, aber dass sie selbst natürlich nicht für die Finanzierung zuständig sind. Das muss der Bund alleine stemmen.

Aber das wird nicht funktionieren. Es reicht nicht zu warten, bis das Bundesunternehmen DB Energie von sich aus tätig wird. Denn gerade bei der Umstellung von Dieseltraktion auf elektrische Traktion lässt sich bei den konsumtiven Kosten erheblich sparen, so dass sich die Finanzierung von Oberleitungen oft schon in einer oder zwei Vertragsperioden rechnen.

Klar, nicht bis zu den nächsten Bundestags- oder Landtagswahlen, aber wir reden doch immer von „Nachhaltigkeit“ und von der „nächsten Generation“, also bitte. Dann fangen wir doch jetzt mal an: Projekte gibt es genug. Es ist eben gerade nicht nachhaltig noch eine besonders umweltfreundliche Verkehrspolitik, wenn manche Güterzugbetreiber oft kilometerlang unter Fahrdraht dieseln, weil ein Teil der Strecke keine Oberleitung hat.

Im SPNV mag es einzelne Fälle geben, in denen man aus welchen Gründen auch immer keine Oberleitung aufbauen kann, aber auch hier muss elektrische Traktion die Regel sein. Das ist auch viel wichtiger als die Umstellung von Stadtbussen, denn hier sind konventionelle Dieselbusse auch heute noch Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Völlig unwirtschaftliche Elektrobusse zu subventionieren, während noch immer ein erheblicher Teil des Eisenbahnnetzes keine Oberleitung hat, ist absurd. Auch hier muss man Prioritäten setzen – Prioritäten zugunsten der Schiene!

Siehe auch: Elektrifizierungsoffensive gefordert
Foto: Michael Gaida

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