Elektrifizierungsoffensive gefordert
16.11.17 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz haben sich die Landesregierungen darauf geeinigt, dass ein Elektrifizierungsprogramm für die Eisenbahn gestartet werden muss. Finanzieren soll das ausschließlich der Bund. Nach einer Auswertung der Allianz pro Schiene schwankt die Länderquote bei der Elektrifizierung des Schienennetzes von 96 Prozent, dem Höchstwert im Stadtstaat Bremen, bis runter auf 29 Prozent in Schleswig-Holstein.
Insgesamt liegt Deutschland beim Bundesschienennetz mit einem Elektrifizierungsgrad von 60 Prozent weit hinter europäischen Spitzenreitern wie der Schweiz (100 Prozent) oder Österreich (70 Prozent). „Die Länder haben die Elektrifizierungslücken im Bundesschienennetz längst identifiziert und spätestens seit Rastatt ist der Bund in der Bringschuld. Deshalb fordern wir für den Koalitionsvertrag ein „Sonderprogramm Elektrifizierung“, mit dem zentrale Oberleitungslücken des Netzes rasch geschlossen werden. Damit steuern wir eine Elektrifizierung von 70 Prozent bis 2025 an“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) forderte vom Bund ein klares Elektrifizierungsziel und erinnerte an ein entsprechendes Votum der Verkehrsministerkonferenz: „Viele Bahnen fahren schon elektrisch, aber für saubere Luft und den Klimaschutz brauchen wir mehr E-Mobilität. Deshalb haben meine Verkehrsministerkollegen und ich beschlossen, dass mindestens 70 Prozent des deutschen Schienennetzes eine Oberleitung erhalten sollen.“
Hermann nannte auch Beispiele für Elektrifizierungen, die das Land ohne Rückendeckung des Bundes in Angriff genommen habe. „In Baden-Württemberg gehen wir voran und investieren eigene Landesmittel in Elektrifizierungsmaßnahmen insbesondere auf der Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen, aber auch und gerade dort, wo der Bund dies nicht im BVWP berücksichtigt hat: auf der Hochrheinbahn von Basel in Richtung Bodensee sowie bei wichtigen regionalen Schienenprojekten wie der Breisgau-S-Bahn rund um Freiburg oder der Regionalstadtbahn Neckar-Alb rund um Tübingen und Reutlingen.“
Als Reaktion auf die Streckensperrung der Rheinbahn forderte der Minister ein Bundesprogramm mit weiteren zentralen Projekten: „Jetzt muss der Bund mit einem eigenen Elektrifizierungsprogramm auf das Desaster von Rastatt reagieren: Wir brauchen ein Sonderprogramm, das elektrifizierte Umleitungen zu allen wichtigen europäischen Güterverkehrsmagistralen schafft.“
Der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) betonte die Rolle der elektrifizierten Eisenbahn beim Thema Klimaschutz: „Wir müssen unbedingt mehr Elektromobilität auf der Schiene vorantreiben – gerade im Kontext der Energiewende, des Beitrags des Verkehrssektors für den Klimaschutz und Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs.“
Herrmann: „Das Gute bei der Bahn ist, dass man das Rad hierfür nicht neu erfinden muss. Dass für viele Strecken jenseits des Bedarfsplans Schiene schon allein aus ökonomischer Sicht eine Elektrifizierung der Königsweg für mehr Dekarbonisierung ist, hat der Freistaat erst kürzlich durch ein Gutachten der TU Dresden schwarz auf weiß bestätigt bekommen.“
Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) nannte weitere Vorteile von Bahnstrecken mit Oberleitungen: „Die Elektrifizierung von Schienenstrecken ist nicht nur wirtschaftlich und betrieblich sinnvoll. Sie kann vor dem aktuellen Hintergrund der Diskussion über Luftschadstoffe auch einen wichtigen Beitrag für eine bessere Luftqualität in unseren Ballungsräumen leisten.“
„Das Land Nordrhein-Westfalen hat deshalb die Elektrifizierung von Schienenstrecken als Förderschwerpunkt gesetzlich festgeschrieben. Punktuell kann auf abgegrenzten Streckenabschnitten auch die Nutzung von Triebfahrzeugen mit Energiespeichertechnologie eine günstigere und schneller zu realisierende Lösung sein“, sagte Wüst und nahm für weitere Anstrengungen den Bund in die Pflicht, nicht seinen eigenen Finanzminister.
Wüst: „Um aber zu einer möglichst flächendeckenden Elektrifizierung zu kommen, ist es dringend erforderlich, dass auch der Bund als Eigentümer des größten Eisenbahninfrastrukturunternehmens Deutsche Bahn ein Sonderprogramm für die Elektrifizierung von Schienenstrecken auflegt.“ Abzuwarten bleibt, welche Rolle das Thema Verkehr und Infrastruktur dann bei der neuen schwarz-schwarz-gelb-grünen Bundesregierung bald spielen wird.
Siehe auch: Oberleitungen braucht das Land