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Wohin steuert die Jamaika-Bahn?

02.10.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist schon richtig, dass sich mehr oder weniger alle jetzt im Bundestag vertretenen Parteien vor den Wahlen in puncto Eisenbahnpolitik mehr oder weniger geeinigt haben. Immerhin sitzen sieben Parteien im neuen Bundestag, die sich auf sechs Fraktionen verteilen. Dabei gehen wir mal davon aus, dass die Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU halten wird, bei der AfD weiß man das natürlich nicht, dann sind es womöglich auch mehr.

Eine kleine Koalition, wie wir sie aus der Tradition der Bonner Republik kennen, werden wir nicht mehr erleben. Wenn, wonach es ja aussieht, CDU, CSU, Grüne und FDP eine Koalition machen, dann kann die Eisenbahnpolitik hier auch ganz schnell zur bloßen Verhandlungsmasse werden. Die CSU verzichtet auf ihre Obergrenze für Asylbewerber, dafür kann sie ihrem sozialpopulistischen Flügel den integrierten DB-Konzern als Erfolg verkaufen.

Oder andersrum: Grüne und FDP setzen gemeinsam eine stärkere Eisenbahnregulierung durch, denn zumindest im Prinzip ist das eine Gemeinsamkeit der beiden kleineren Parteien. Die Wirtschaftswoche hat das ja bereits ausführlich dargelegt, wobei sich natürlich die Frage stellt, ob nicht die Hausmacht des DB-Konzerns im Bundeskanzleramt hier größer ist.

Denn das ist die Lehre, die wir spätestens ziehen können, seit das Bundesverkehrsministerium 2009 von der SPD zur CSU gegangen ist: Dass die großen Fragen, die den Schienenverkehr betreffen, von der Bundeskanzlerin entschieden werden. Sie war wahrscheinlich auch diejenige, die das vierte Eisenbahnpaket verhindert hat: Wir retten den Euro, dafür lasst Ihr uns unsere Staatseisenbahn.

Eine solche Politik unterstützt das traditionell protektionistisch handelnde Frankreich und spätestens seit der Brexit-Entscheidung ist eine wichtige Stimme für marktwirtschaftliche Politik ohnehin aus der jetzt noch kontinentaleuropäischen Union verschwunden. Und es stellt sich natürlich auch die Frage, ob die deutschen Akteure überhaupt bereit wäre, Dinge auszusprechen, die man für eine bessere Eisenbahnpolitik einfach sagen muss.

Ja, wir wollen einen Deutschlandtakt. Fordern kann man viel. Aber dieser Deutschland ist nicht möglich, ohne die Erkenntnis, dass die Eigenwirtschaftlichkeit im SPFV, zumindest wenn man diesen flächendeckend anbieten will, nicht funktioniert. Eisenbahnleistungen lassen sich in der Regel durch die Fahrgeldeinnahmen nicht auskömmlich finanzieren.

Das spricht aber bislang keiner offen aus. Deswegen kommt auch Initiative Deutschlandtakt seit Jahren nicht mehr weiter, weil die sich nicht trauen zu sagen, dass auch der Fernverkehr dem Bestellerprinzip unterliegen muss. Ob die Allianz pro Schiene oder die EVG genau diese Erkenntnis aussprechen werden? Unter uns gesagt, ich halte das für unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.

Beide Organisationen würden sich nicht trauen, in den offenen Konflikt mit der DB AG zu gehen. Das könnte möglicherweise ein Bundesverkehrsminister Matthias Gastel von den Grünen – der hat zumindest Ahnung von der Materie. Aber noch sind längst keine Posten vergeben.

Siehe auch: Eisenbahnpolitik in Jamaika

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